Nica – Priesterin der Flammen

„Throw me to the Wolves and I will return leading the pack.“
Aus Pinterest

Arsurra – Ecliso 

Manche Religionen der Menschen auf Erden vertraten die Auffassung einer Existenz von Himmel und Hölle. Setzte jemand die Planeten des Tribunals als Schablonen ein, wäre Pulse Magia vergleichsweise das magische Pendant zur Erde, Pura ersetzte den Himmel und Ecliso entspräche unbestritten der verfickten Hölle! Das Leben hier war echt zum Kotzen! 

Nica schwang ihre Colichemarde Doppeldolche und enthauptete einen stinkenden Dämon. Dieser hatte versucht, eines der zahlreichen Portale zu aktivieren. Den Schlüssel hatte er von einer getöteten Schattenelfen-Torwache gestohlen. Mieses Arschloch!
Das Bedürfnis nach Flucht konnte sie dem Kerl nicht mal verübeln. Weit und breit existierte auf Ecliso nur abgebrannte, mit Asche bedeckte Erde. Die heiße und trockene Luft stank nach faulen Eiern. Ein Mangel an Nahrung und Wasser, zurückführend auf vertrocknete Seen und wenig ertragreichen Boden, welcher ausnahmslos in geringem Maße Rohstoffe abwarf, erschwerte den Alltag. Außerdem tauchte eine andauernde Nacht das Land in den Schauplatz einer Schauergeschichte. Nicht umsonst wurde Ecliso Planet der ewigen Finsternis genannt, im Gegensatz zum taghellen Pura.
Schwarzmagier, einst gewöhnliche Magier, die ihre Macht für Böses einsetzten, verbannten die Krieger der Königin, gelegentlich Waldelfen, immer in Zusammenarbeit mit dem Wächter des kosmischen Raumes an diesen Ort. Durchweg kämpften die Ausgestoßenen gegen die heimischen Dämonen um ihr nacktes Überleben. Ecliso Dämonen, grausige, gefühllose, Geifer sabbernden Kreaturen, nutzten meistens keinerlei Waffen.
Benötigten sie auch nicht. Ausgestattet mit übermenschlicher Stärke plus langen Klauen und scharfen Zähnen, genügte ihr eigener Körper, die im Weg stehenden Feinde abzuschlachten. Im Falle der Torwache sogar doppelt und dreifach. Dieser Idiot! Ließ sich einfach mir nichts, dir nichts abstechen!
Pff, Nica hasste ihre Zugehörigkeit zu diesem beknackten Volk! Als Schattenelf durfte sie jeden beschissenen Tag die Scheisskerle platt machen.
Den Frieden bewahren hieß dabei oftmals ein Massaker anrichten, weil ganze zusammengeraufte Truppen Krieg spielten! Allesamt waren sie Arschgeigen!
Nachdem sie ihren letzten Gegner in die ewigen Jagdgründe geschickt hatte, stapfte Nica demotiviert nach Hause. Ihre langen Dolche befestigte sie an Schnallen, gebunden um ihre Oberschenkel. Das Motto hier auf Ecliso lautete: Sieh gefährlich aus und nutze die Kunst der Einschüchterung.
Deswegen trug Nica grundsätzlich eng anliegende Lederoutfits, verziert mit stachligen Nieten. Stiefel mit hohen Absätzen ergänzten ihren Look. Schwarze lange Haare, durchzogen mit wahrhaft angeborenen lila Strähnen, reichten ihr fast bis zum Gesäß. Fliederfarbenen Augen schmückten das stets ernste Gesicht. Leichenblasse Haut überzog ihren muskulösen Körper.
Ein besoffener Schattenelf verriet einst, das außergewöhnliche Äußere verdankte sie ihrem Vater. Vom Hörensagen erfuhr sie dieses Detail, Nica kannte ihren Erzeuger nicht. Scheinbar war er kurz nach ihrer Geburt beim Kampf verreckt. Über eine vermeintliche Mutter hatte sie nie ein Wort vernommen. Na ja, Schattenelfen waren eben weder gesellig noch gesprächig. Gut, manchmal gerieten sie in Plauderlaune, dann laberten sie allerdings Stuss. Eine Familie oder Ähnliches gab’s unter ihresgleichen selten.
Letzten Endes hatten die Alten Nica versorgt, bis sie laufen und sich einigermaßen hatte artikulieren können. Seitdem hatten ihre Artverwandten sie sich selbst überlassen. In anderen Kulturen war so etwas kaum vorstellbar.
Tja, Schattenelfen-Mamis und -papis? Fehlanzeige.
Aufgrund ihrer bescheidenen Kindheit war Nica zur besten Kämpferin unter ihresgleichen herangereift. Im Nachhinein betrachtet, scheiße. Ständig musste sie den Dreck ihrer Kameraden ausbaden, hinter ihnen her räumen und deren begonnene Kämpfe beenden.
Arsurra, ein kahles und ungemütliches Gebirge, beherbergte die Kriegerrasse der Elfen. Seit Anbeginn der Zeit hatten ihre Vorfahren Tunnel durch das Gestein gegraben, Höhlen erschaffen und darin Lagerplätze hergerichtet. So gut wie es ihnen möglich erschien, sammelten die lebenden Schattenelfen Vorräte und verwahrten die Lebensmittel in speziellen Nahrungskammern. Ein Waffenarsenal bot allerhand nützliches Zubehör für den nächsten Aufstand, eine Krankenstation ergänzte das Lager. Auch wenn die Rasse rau und unfamiliär daherkam, auf gegenseitige Unterstützung in dieser vermaledeiten Welt, konnten sie bauen.
Nica erreichte die Festung. Diverse Schutzzauber verschleierten die Eingänge auf allen Seiten der Gebirgskette. Wer sich nicht auskannte, lief vielfach außen herum und fand trotzdem keinen Hinweis auf Tore.
„Ingresso mostrarti!“, flüsterte Nica an einer Stelle, während sie sich nach Verfolgern umsah. Die Luft schien rein.
Den Wall kurzzeitig gelöst, schritt die junge Frau durch das Loch in der Wand.
Im inneren Bereich herrschte Aufregung. Nica ignorierte ihre lärmenden Kameraden. Soviel zum Thema, nicht redselig, dachte sie sich. Momentan wollte sie duschen und nach etwas essbarem Ausschau halten, nicht quatschen. Duschen bedeutete in diesem speziellen Fall ihren Körper an einer innen liegenden Felswand, aus der eiskaltes Wasser sprudelte, mit geruchloser Kernseife abzuschrubben. Unangenehm, aber eine notwendige Tortur, denn stinken wie die anderen Ekelpakete wollte sie gewiss nicht.
Zu ihrem Unglück musste die Grundreinigung warten, zwei Mitbewohner nahmen Nica nämlich sofort ins Visier.
„Yo!“, rief Beo, trat hastig auf sie zu. Sein Anhängsel, eine schmächtige Elfin namens Ama, watschelte hörig hinterher. Sicher schliefen beide miteinander!
Dem armen Mädchen sollte unbedingt jemand erklären, dass Männer dieser Rasse grundsätzlich heiratsunwillig geboren wurden. Ihre schmachtenden Blicke verursachten bei Nica Übelkeit. Daraus entstand dann ein klein wenig Mitgefühl, als die Kriegerin bemerkte, wie Beo sie anflirtete.
Doch nicht einmal, wenn er der letzte Typ auf dem verfickten Planeten gewesen wäre, hätte sie ihn rangelassen. Grundsätzlich verabscheute sie die hiesigen Schwanzträger. Gut, alle Schwanzträger. Ach, eigentlich verabscheute Nica alles und jeden!
„Hey Nikki, weißt du schon das Neuste?“, fragte er, offensichtlich eine spannende Nachricht im Gepäck.
Brüsk schlug ihm Nica die Faust ins Gesicht, packte den Hinterkopf mit ihrer linken Hand, zog einen Colichemarde Dolch mit der rechten und hielt ihn bedrohlich auf Höhe seines besten Stücks.
„Nenn mich nochmals Nikki und ich mache dich zur Frau!“
Beide Elfen erblassten. Ama sah im Augenblick wohl ihre Kinderplanung in Gefahr. Die abseits stehenden Schattenelfen johlten über Nicas grandiose Darbietung. Eines der männlichen Exemplare, ein extrem fähiger Kämpfer, schlenderte zu ihnen.
„Komm, lass den armen Tropf gehen! Er kann doch nichts dafür, dass er ne Pussy ist!“
Schallendes Gelächter im Hintergrund. Ausnahmsweise tat Nica, was man ihr sagte. Die Lust auf eine Prügelei war ihr ohnehin vergangen. Kaum hatte sie ihn aus dem Griff entlassen, schwirrten Beo und sein Groupie ab.
Hey, Ama sollte ihr dankbar sein! Immerhin konnte sie seine Wunden lecken.
Und nicht nur die!
„Was meinte er mit Neuigkeiten?“, fragte Nica den zurückbleibenden Elf.
Horst, so hieß er, grinste.
„Kurz- oder Langfassung?“ - „Halt dich kurz, Horst“, knurrte Nica „Ich will noch zur tropfenden Hölle da hinten, darüberhinaus rumpelt mein Magen! Gibt’s überhaupt etwas Nahrhaftes zu beißen?“ - „Wir haben Ratte“, überlegte er, kratze indes sein bärtiges Kinn.
„Pfui Teufel! Die Dinger sind zäh!“ Nica streckte die Zunge raus, bekam nebstdem Gänsehaut am ganzen Körper.
„Besser als verdorrte Sellerie“, gab Horst zu bedenken.
Gleichgültig zuckte Nica die Achseln. Die Gruppe um die anderen Schattenelfen war wieder in ihr voriges Gespräch über ein sinnloses Thema vertieft. Horst nutzte die Gunst der Stunde, zog Nica zur Seite.
„Hör mal, wegen dieser Geschichte“, begann er „Da ziehen ganz gewaltige Gerüchte über die Lande!“
Jetzt war sie ganz Ohr.
Horst fuhr fort: „Aus dem tiefsten Nermor soll eine Magierin aufgetaucht sein.“
Ui!
Arsurras Gegend wurde von Einheimischen schon für grausam erachtet, der Nermor dagegen bot keinen Vergleich. Nicht umsonst nannten sie dieses Tal der Toten und Vergessenen schlichtweg „Unterwelt“ Eclisos. Im Prinzip war der Nermor die Hölle der Hölle.
„Und was hat diese Schlampe drauf?“, hakte Nica nach, äußerlich unbekümmert, innerlich gespannt.
„Scheinbar genug“, erwiderte Horst erst kryptisch, ehe er mit der Tür ins Haus fiel.
„Genug, damit die Königin von Licht und Magie in persona nach den Priestern schicken lässt!“
Heiliger Kuhmist, sie war so was von am Arsch! Falls das eben Gehörte der Wahrheit entsprach, frass das Schicksal Nica auf, zerkaute sie in Kleinteile, verdaute sie und kackte sie anschließend als Dünnpfiff mit Sahnehaube aus!
Um die Behauptung abzuwägen, hinterfragte sie kritisch: „Wer erzählte das?“ - „Tom, der Floh“, gab Horst zurück.
Doppelt verfickte Scheisse! Tom, der Floh, erzählte niemals Scheißdreck.
Ein Schwarzmagier, welcher die hohe Kunst der Verzauberung beherrschte, hatte den einstigen Schattenelfen zu einem Leben als Floh verflucht. Andere hätten an seiner Stelle Selbstmord begangen, beispielsweise durch zertrampelt werden, nicht aber Tom. Als das winzigste aller Tierchen machte er sich für die Schattenelfen nützlich, spionierte für sie, bezog von überall her nützliche Informationen. Auf diese Weise erstickten seine Kameraden so manchen anbahnenden Aufstand im Keim. Toms Worten konnte Vertrauen geschenkt werden. Immer. Für Nica war das in diesem Fall schlecht. Supernova schlecht.
Ihr unbekannter Erzeuger hatte ihr, neben ihrem exotischen Äußeren, das nervige Schicksal der Priesterin vererbt. Den Hämatit Edelstein, eingefügt in einen schädelförmigen Anhänger, gebunden an ein silbernes Armkettchen, trug Nica schon seit sie denken konnte an ihrem rechten Handgelenk spazieren.
„Woher bezog Tom seine Informationen?“, forschte sie weiter nach.
Horst blickte düster drein, brabbelte dann vor sich hin: „Puras Helden-Lichtelf, Cosmo, der strebsam jeder Sitzung Celestias beiwohnt, ein vorbildlich prunkvolles Leben in Bescheidenheit verlebt, meldete einen in Lichthallen eingebrochenen Schwarzmagier. Offenbar quatschte der einen Bockmist von einer vermeintlichen Königin, derer seine halbe Sippschaft nun dient. Er versuchte die heimische Priesterin zu killen.“
Horst hob einen Finger, machte eine dramatische Pause. Fehlte völlige Dunkelheit plus die Flamme einer einzigen Kerze und die Gruselgeschichte wäre perfekt.
Hoppla! Hier herrschte völlige Dunkelheit und es schien lediglich die Flamme einer einzigen Kerze. Gruselfaktor 1.000 Prozent!
„Gleiches meldeten vor einer Stunde die Waldelfen“, platzte Horst heraus. Scheinbar gefiel ihm die Pointe. Er bohrte in der Nase.
„Auch dort griffen ein Schwarzmagier, allerdings ein anderer, sowie mehrere Dämonen die Auserwählte an.“ - „Wieso bekamen wir deren Flucht von Ecliso nicht mit?“, überlegte Nica.
„Nun ja“, seufzte der Schattenelf „Mutmaßlich nutzten beide Magier ein selbst erschaffenes Portal, keines der hiesigen.“
Nica staunte, zog die Augenbrauen hoch.
„So etwas ist doch unmöglich!“ - „Richtig. Dennoch erklärt es, warum sie unbemerkt entkamen. Kein aktiviertes Tor bedeutet, keine Kenntnisnahme und Verfolgung unsererseits. Die Kerle schlichen uns davon“, seufzte Horst frustriert.
Augenscheinlich beschäftigten die Neuigkeiten die angesiedelte Elfenschar. Keine Kreatur hatte von Ecliso ohne Gegenwehr einen Abgang gemacht. Niemals. Schattenelfen verloren keine Feinde. Nicht ohne Gegenwehr.
Horst beugte seinen mächtigen Körper verschwörerisch zu Nica.
„Die Gerüchte, welche Tom, der Floh aufschnappte“, hauchte er, so nah, dass sie seinen alkoholisierten Atem roch. Vermutlich Rum. Woher hatte er Rum gezaubert?
„Sie besagen, dass die erwachten Priester die ausgebrochenen Magier mitsamt Dämonen vernichtend schlugen. Des Weiteren prophezeien sie ein zeitiges Erscheinen auf Ecliso. Du kannst dir denken, was das bedeutet?“ - „Etwa, dass ich in Gefahr bin?“, lachte Nica den armen Horst aus.
„Keine Bange! Zunächst müssen die Arschlöcher den Verschleierungszauber brechen. Selbst wenn ihnen das gelänge, wären sie selten dämlich eine Gebirgsfestung voller Schattenelfen anzugreifen!“
Damit ließ sie den stirnrunzelnden Horst stehen, peilte endlich das bisschen an fließendem Wasser an. Hoffentlich würden ihre logischen Einwände Nica nicht täuschen.
Schlafenszeit. Während die eingeteilten Wachposten ihnen zugeteilte Eingänge beaufsichtigten, schlief Nica, inzwischen gewaschen, auf einem harten, kompromittierten Holzarrangement.
Unheilvolle Fantasien quälten sie. Bilder von Toten schwirrten durch ihre Träume.
Plötzlich wurde Nica wach. Auf ihrer Stirn stand der Schweiß.
„Das ist es!“, murmelte sie, „ich befrage unsere gefallenen Krieger!“
Auch die junge Schattenelfe erbte eine individuelle Eigenschaft.
Dank ihr brächte sie Licht ins Dunkle!
Geschwind schlüpfte sie in saubere Kleider, eine enge schwarze Lederhose mitsamt passender Korsage in Violett.
Den Wachelfen gegenüber gab sie an, draußen noch einen Streifzug unternehmen zu wollen.
Schon aus Prinzip legte sich kein Elf mit Nica an!
Problemlos entkam sie dem Provisorium, das ihre Sippe Zuhause taufte.
Im Freien suchte sie einen abgelegenen Ort.
Mit ihrem Dolch ritzte sie einen Kreis in die Erde. In dessen Mitte kniete sie auf den Boden.
Konzentriert, die Arme ausgebreitet, flehte sie: „Mi senti, Guerrieri defunti!“
Tote sahen alles! Oftmals verrieten sie ihr nützlichen Klatsch und Tratsch.
Stets tauchten unterschiedliche verstorbene Krieger auf, nach Zufallsprinzip.
Ihren Erzeuger beschwor sie nicht einmal.
Der Bannkreis glühte.
Impulse jagten querfeldein, dann bebte der stimulierte Grund.
Die Geister erschienen schemenhaft, nie in einem festen Körper.
Der heute Gerufene setzte sich mit seiner Astralgestalt Nica gegenüber.
„Du fragtest nach einem von uns, Mädchen! Was ist dein Anliegen?“, fragte der ihr bisher Fremde.
Die Schattenelfe brachte ihre Frage vor: „Gefallener meiner Rasse, bitte sage mir, was ich wissen möchte. Unser verfluchter Verbündeter schnappte Gerede auf. Demgemäß dienen Schwarzmagier neuerdings einer eigenen Königin. Dieses Wesen soll über Mächte verfügen, welche Eure Hoheit Celestia zwingt, die Priester einzuberufen. Sage mir, Krieger der Schattenelfen, was ist da dran?“
Der Befragte musterte Nica prüfend.
Vorerst, ohne die gestellte Frage zu beantworten, versicherte er sich: „Du bist die Priesterin der Flammen?“ - „Ja“, stimmte Nica zu.
„Ich kannte deinen Vater“, erklärte der Geist weiter. Diese Enthüllung brachte sie kurz aus dem Konzept.
Bedröppelt schwieg sie.
„Dein Vater und ich kämpften einst Seite an Seite. Du siehst ihm ähnlich. Ich trauerte, als er gemeinsam mit deiner Mutter starb.“
Das erste Mal hörte das Mädchen einen Ton über die Frau, die sie gebar.
Mit einem Blick forderte sie den Partner ihres Erzeugers auf, weiterzusprechen.
Er verstand.
„Die Gerüchte sind wahr, Nachwuchs meines Freundes. Vom Nermor entkam eines Tages eine grausame Frau. Tote zu beschwören, ist Teil ihrer Macht.“ - „Eine Nekromantin!“, wisperte Nica, „aber was bezweckt sie?“ - „Nun Priesterin, was alles Dunkle begehrt. Die absolute Herrschaft über Gut und Böse. Darum sammelt dieses Wesen Kräfte, rottet Schwarzmagier und Dämonen zusammen, wartet auf den günstigsten Moment, den Höhepunkt der Macht.“
Schweigen.
Lediglich ein laues Lüftchen, in dem der Geruch von verbrannter Asche lag, unterbrach die Stille der Nacht.
„Wann kommt die Schlampe zum Höhepunkt?“, interessiere Nica.
Der Schemen schüttelte den Kopf: „Das weiß niemand. Womöglich lässt euch die Königin deshalb rufen.“
Das leuchtete zumindest ein.
„Okay, wie finde ich das Miststück?“ Nica gedachte, kurzen Prozess zu machen!
Erneut verneinte er.
„Du kannst diese Hexe nicht finden, Kind. Hörtest du bereits, dass Portale entstanden und Schwarzmagier hindurchgegangen sind?“
Fast unverkennbar nickte sie.
„Wenn ihre Untertanen überall hinzureisen vermögen“, gab der Gefallene zu bedenken, „ist die Herrscherin ebenfalls dazu in der Lage. Das heißt …“ – „… Sie würde einfach vor unsere Augen verschwinden und ein anderes Versteck suchen“, beendete Nica frustriert den Satz.
Dieses Mal pflichtete ihr der Verstorbene bei. Dem Mädchen kam ein Gedanke.
„Die Königin schickte ihre Krieger vermutlich nach der Nekromantin. Die konnten sie nicht aufspüren. Deshalb ergreift die Königin vorsorgliche Maßnahmen. Sie stockt ihre Armee auf, während die Böse selbiges im Verborgenen unternimmt!“
Ihr Gegenüber lächelte.
„Deiner Schlussfolgerung ist nichts mehr hinzuzufügen. Du bist schlau, wie dein Vater“, lobte er.
Nica dankte ihrem Verbündeten.
„Bevor ich gehe“, wandte er ein, „solltest du eine Sache erfahren.“
Gespannt lauschte sie.
„Deine Mutter entstammte den Waldelfen“, offenbarte er, ihr Herz sackte Etagen tiefer. „Tatsächlich liebten deine Eltern einander, was zuvor niemals in unserer Geschichte passierte.“
O. K., das schockierte sie! Es erklärte aber, warum das Äußere ihrer Artgenossen so ungleich ihrem war, ferner, weshalb diese nie über Nicas Verwandte gesprochen hatten oder sprachen. In ihren Adern floss teilweise das Blut einer Waldelfenfrau. Wie extrem war das bitte? Shit, sie kam sich just wie eine Ausgestoßene vor!
„Das ist nicht alles.“
Super, der Geist geriet in Plauderlaune.
„Oh bitte, was denn noch?“ Nica rümpfte die Nase. Schlechte Neuigkeiten hatte sie heute wahrlich genug zu verdauen.
Unmittelbar vor seinem Abgang gestand der Krieger: „Deine Mutter brachte zwei Säuglinge zur Welt. Ich durfte deinem Vater damals zur Seite stehen, bekam deine Geburt am Rande mit. Deine Schwester, deren Gene eher der mütterlichen Seite gleichen, während deine den Schattenelfen zugetan sind, lebt auf Pulse Magia, in Corrmas, dem Dorf der Waldelfen. Ich vermute stark, dein Zwilling übt gemäß ihrem Erbe das dortige Amt der Priesterin aus.“
Nica traute ihren Ohren nicht. Nein, falsch. Mit ihren Ohren war alles in Ordnung. Schlicht glaubte sie dem Gehörten kein Stück. Selbst, als der Tote längst verschwunden war, verharrte sie noch immer auf dem trockenen Fundament.
Eine Zwillingsschwester? Was? Absoluter Schwachsinn! In keiner Weise entsprach Nica auch nur entfernt einem schwesterlichen Typ. Der Geist hatte sich geirrt. Hundertprozentig.
Ein unnatürliches Geräusch riss sie aus ihrer Trance. Der Klang eines Gongs hallte aus der Gebirgskette. Insgesamt zählte Nica drei Schläge, der dritte ließ sie hochfahren.
Zweifelsfrei – ein Warnsignal. Arsurra wurde soeben angegriffen!
Flink wie ein Wiesel rannte die junge Frau auf den nächstgelegenen Eingang ihres Zuhauses zu. Bereits ein Stückchen entfernt, erkannte sie eine hineinströmende Dämonenschar.
„Das ist unmöglich!“, keuchte Nica im Sprint.
Ohne nachzudenken, überbrückte die Kriegerin die Distanz. Der von ihr am geringsten entfernte Frevel spürte die drohende Gefahr, drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Blitzschnell griff Nica ihren Colichemarde Dolch, schlug ihm den Kopf ab. Der Dämon zerfiel sofort zu Asche. Sekündlich bemerkten seine Kumpels die Kriegerin. Nica umfasste ihre zweite Klinge. Sie kam den angreifen wollenden Eindringlingen zuvor. Tänzelnd wirbelte sie zwischen den Reihen umher, balancierte auf ihren Zehenspitzen, die scharfen Schneiden sausten durch die Leiber. Weitere Häupter rollten, bis kein Feind übrig blieb. Nica stolzierte über die zu Staub zerfallenen Leichname hinweg. Innerhalb der Gebirgskette angekommen, erfasste reines Chaos ihre Sinne.
Von allen Seiten, so wirkte es, stürmten Dämonen in die Liegenschaft der Schattenelfen. Wie zur Hölle hatten sie die hervorragend gesicherten und verborgenen Eingänge gefunden? Außerdem, wie zum Teufel hatten sie den Verhüllungszauber gebrochen?
Was bezweckten diese Kreaturen nur? Ihr Handeln führte sie in eine Sackgasse. Das musste ihnen doch bewusst sein? Die hier lebenden Schattenelfen waren überwiegend Killer und als solche würden sie den Angreifern keine noch so kleine Chance für einen Sieg zugestehen.
Hastig streifte Nica umher. Allen Dämonen, denen sie begegnete, machte sie den Gar aus. Mit jeder Leiche mehr empfand sie grollendere Wut.
Denen sich ihr begegnenden Kameraden befahl sie: „Treibt das Gesocks zusammen! Ab in die große Halle!“
Einzelne Dämonen töten, ergab wenig Sinn, dafür fluteten zu gigantische Massen in die Gänge. Innerhalb der großen Halle saßen die Mistviecher fest. Der üppige, hohe Raum diente den Schattenelfen dazu, ihre Mahlzeiten einzunehmen. Gedanklich erbaut, um die Gemeinschaft zu stärken, saß die Vielzahl von ihnen meistens allein da. Die Elfen mampften das geschmacklose Essen, falls sie etwas auftreiben konnten, standen auf, gingen ihrer Wege. Ironischerweise diente ihnen die Größe des Raumes, denn so musste keiner unmittelbar neben dem anderen sitzen.
Immerhin hörten Nicas Artgenossen jetzt auf sie. Die Schattenelfen verstopften jegliche Flure, nötigten den Feind dazu, bestimmte Pfade entlangzumarschieren. Ihr bereitwilliges Abrücken und abermaliges Ausschwärmen, eine ausgestrahlte Zielfixierung, vermittelten den Anschein, sie seien hinter jemandes Arsch her. Nica schluckte, während sie einen für Fremde unkenntlichen, in den Stein eingelassenen Tunnel durchquerte.
Ihr Kumpel Horst behielt doch tatsächlich recht. Die Dämonen befanden sich auf der Suche nach ihr. Wäre der Überfall aus purer Mordlust am Geschlecht der Schattenelfen geschehen, hätten sich die Viecher anders verhalten. Ziellos. Wahllos.
Auf ihrem Vormarsch stolperte Nica des Öfteren aus ihrer Deckung, kontrollierte einige Gemächer ihrer Kameraden. Manchen Dämonen gelang es, einige schlafende Schattenelfen zu überwältigen und zu töten.
Verdammte Hurensöhne!
Im Kampf sterben war schlimm, jedoch Berufsrisiko. Beim Ratzen überwältigt werden, eine größere Schmach konnte sich unter Kriegern keiner vorstellen!
Andächtig trauerte Nica für einen Moment. Wenn auch nicht gesellig, eine andere Familie als diese Artgenossen kannte sie nicht. Natürlich wuchsen ihr die Raubeine ein wenig an ihr staubtrockenes Herz. Im letzten Zimmer vor dem Essbereich stoppte Nica entsetzt.
Ama lag tot, mit weit geöffneten Augen auf dem kalten Steinboden. Über ihr, ebenfalls brutal hingerichtet, kauerte Beo. Unvorhergesehen floss Nica eine Träne über die Wange. Beo hatte Ama beschützt! Nica kniete nieder, schloss die Augenlider ihrer Schwester. Im Tode vereint, würde die beiden hoffentlich ihre letzte Ruhe finden.
Genug der Rührseligkeit! Ganz die Schattenelfe plante Nica, ihre Kameraden zu rächen! Indes stieß sie ein Dankgebet zum Himmel, Horst befand sich nämlich nicht unter der Verstorbenen. Zornig aufgrund der Unverfrorenheit ihrer Peiniger stampfte die Priesterin in die große Halle. Kaum riss sie die Tür aus den Angeln, schlug ihr ein entsetzliches Bild entgegen. Ringsum lagen Leichenberge von Freund und Feind, verteilt über umgestoßene Tische und Bänke.
Es roch nach Blut, Tod, Verwesung.
Zugegebenermaßen unterschätzten die Elfen ihre dämonischen Eindringlinge, begründet darin, da historisch gesehen keine feindlichen Truppen jemals schafften, diese Anzahl Schattenelfen an einem Abend auszuradieren.
Nicas Hass erreichte eine neue Ebene!
„AUFHÖREN!“, brüllte sie über die Köpfe der noch Lebenden hinweg.
Unzählige Dämonen richteten ihre grausamen Augenpaare auf sie. Gleichwohl sie ihre bösen Schwingungen empfing, stieg Nica der Duft ihrer ekelhaften Ausdünstungen in die Nase.
„Ihr wollt mich!“, schrie sie, breitete die Arme aus „Hier bin ich, ihr abscheulichen Wichser!“
Bedrängnisse gegen die überlebenden Schattenelfen stoppten. Jedweder Dämon verfolgte ausschließlich ein Ziel – das, welches wutentbrannt seine Kampfbereitschaft signalisierte!
„Alle Mann raus aus der Halle!“, orderte Nica die Kameraden an.
Im Gegensatz zu echten Freunden, die ihrer Kameradin solidarisch beistehen würden, gehorchten die Schattenelfen sofort, hasteten aus dem Raum und schlossen die Türen.
Oh, wow! Sie verriegelten die sogar von außen!
Währenddessen hetzten ihre Feinde Richtung Nica. Die Priesterin hob ihren rechten Arm und betrachtete den Magiestein an ihrem Handgelenkt. Angrenzend blickte sie zur heranstürmenden Angreiferschar.
Die grenzenlose Wut bündelnd, entfesselte Nica ihre geladene Magie: „Fiamme, mi da Forza! Mi presta la Magia delle Guerreri caduti! Flammen, gebt mir Kraft! Leiht mir die Magie der gefallenen Krieger!“
Dann brach die Hölle aus!
Drei Frauen und ein Echsengetier standen verloren vor einem Gebirge. So richtig verloren.
Der Raumschlüssel des Wächters hatte sie zwar in null Komma nichts von Pulse Magia nach Ecliso verfrachtet, das Gestein vor ihnen warf aber Fragen auf. Viele Fragen. Zum Beispiel, in welchem Radius sich der Eingang befand. Oder die Eingänge, falls mehrere existierten. Das zu klären, hätte sie schon ein großes Stück weitergebracht. Shanti, eine perfekte Spurenleserin, war von der Tatsache schockiert, dass eine Schwester existierte. Die Information beeinträchtigte ihre Fähigkeiten. Unfähig zum Sprechen, ferner Denken, geschweige denn Fährten deuten, schleppten Jessica und Yelina den armen Tropf notgedrungen mit. Eine geschlagene Stunde (oder waren es womöglich zwei?) stolperte das Trio, samt Tier, um die Felswand herum.
„Wieso muss ich mir das antun? Wer denkt sich solch einen Scheissdreck aus? Ein Zuhause in einem Felsen? Nein, innerhalb eines Gebirges! Meine Füße schmerzen!“, jammerte Jessi.
„Deine Kondition bereitet mir echt Sorgen, Hexe!“, erklärte Chuck, schnappte eine Fliege mit seiner hervorschnellenden Zunge.
„No Duck, du hältst die Klappe! Sonst mach’ ich 'ne Lederhandtasche aus dir!“, feuerte Jessica zurück und keuchte, „wohl eher eine Clutch, viel mehr gibst du ja nicht her!“
Mister „Ich-Bin-Keine-Eidechse-Sondern-Eine-Bartagame“ motzte: „Das ist Mobbing! Ich kontaktiere meinen Anwalt!“ - „Womit denn?“, setzte Jessi ihn schachmatt, „hier, mitten in der Pampa, existierte kein 5G Netz, kein LTE, nicht einmal der geringste Empfang!“
Chuck schmollte. Yelina verdrehte die Augen und stöhnte. Diese konfuse Unterhaltung führten die Hass-Liebenden seit ihrer Ankunft. Obwohl, gewiss schon seit ihrem Kennerlernen!
Plötzlich verharrte Shanti mitten im Gang.
Gleitzeitig registrierten Yelina und Jessica böse Energien einer Vielzahl von Auren.
„Spürt ihr das auch?“, fragte die Waldelfe, hob aufmerksam das Gesicht.
Knapp entgegnete Jessi, ebenso konzentriert starrend: „Allerdings!“
Das Mädchen aus Corrmas ging in die Knie, legte die flache Hand auf den Boden, schloss die Augen. Leichter Wind wehte. Die dürren Äste der ausgetrockneten Bäume raschelten leise. Schwach transportierte das Lüftchen den Geruch von Blut zu ihnen.
„Ich erfasse bereits vergangene magische Quellen. Das nächste Kernzentrum liegt in nordwestlicher Richtung“, deutete Shanti.
Fassungslos starrte Jessica die Elfe an. „Warum denn nicht gleich so? Lässt mich erst durch die Gegend latschen!“, empörte sie sich.
Chuck munterte die Hexe auf. Nun, er versuchte es. „Shanti denkt nur an deine Figur! Die Spaghetti von heute Mittag setzen sonst als Polster an deinen Hüften an!“
Wenn Blicke töten könnten …
Zur allgemeinen Beruhigung grätschte Yelina dazwischen: „Wir haben doch inzwischen einen Anhaltspunkt? Also auf nach Nordwesten!“
Rasch setzte sich die Truppe in Bewegung.
Vor dem vermeintlichen Energieherd gab Shanti ihren Begleiterinnen ein Zeichen. Kritisch beäugte Jessi das Gebirge. Wo bitte sollte da ein Eingang sein?
„Geh mal aus dem Weg, Mädel!“, befahl sie gereizt und schob die Spurenleserin zur Seite.
„Oh! Die Überhexe kommt!“, frotzelte Chuck, „na dann zeig mal, was du drauf hast!“
Röte färbte Jessicas Wangen. Es handelte sich nicht um Schamröte.
Einigermaßen die Contenance wahrend, wischte sie mit beiden Händen über die Fläche im Stein und sprach: „Incanto trascorre!“
Der Zauber verging, ein Loch in der Wand erschien.
Staunend begafften die Elfen den Eingang.
Weniger beeindruckt schnurrte Chuck auf ihrer Schulter: „Erwartest du jetzt Applaus? Pff! Die Auserwählte der Königin muss so etwas hinbekommen!“
Genervt im Endstadium verdrehte Jessica die Augen. Hätte sie doch nur Kopfschmerztabletten in ihr Täschchen eingepackt!
„Nach dir, Erdenhexe!“, einigten sich Yelina und Shanti.
Ja, besser, Jessi schritt voraus. Ansonsten würde sie Chuck den nicht vorhandenen Hals herumdrehen!
Gleich würde sie das gesamte Pack auf einen Haufen erledigen! Nica stolzierte mit ihren 12 Zentimeter Absätzen in die Mitte des Raumes, wich dabei elegant den nach ihr greifenden Dämonen aus. Die klopfenden Laute ihrer Stöckel hallten die Steinmauern wider, ausnahmslos das keifende Knurren der angriffsfreudigen Feinde übertönten sie.
Erneut glichen ihre Bewegungen einem Tanz.
Zur Vollkommenheit der Vorstellung fehlte einzig die Melodie des Todes. Am bevorzugten Platz angelangt, hielt Nica inne. Kurzerhand entband sie ihre Armkette, ihre Augen flackerten in der Farbe frischen Flieders.
Sie griff das gelöste Kettchen und verlängerte es mit beiden Händen, als ob es aus vielen Metern Schnur bestünde.
„Mille Gemme! Tausend Edelsteine!“, knurrte sie. Währenddessen kreiselte die Schattenelfe ihre fadenartige Kette über ihrem Kopf.
Die Stränge schwirrten durch die Luft, wickelten sich um die Gegner, blieben an ihnen haften. Bewegungsunfähig geworden versuchten die Kreaturen den Stricken zu entkommen.
„Zwecklos!“, fauchte Nica. Ein böses Grinsen bildete sich auf ihren bläulichen Lippen. Jeder Bösewicht würde vor Neid erblassen.
Vergleichbar mit einem Puppenspieler zupfte Nica die Fäden, an welchen unzählige Hämatite klebten, mittels allen zehn Fingern. Die Dämonen wirkten wie Fliegen, die eine Spinne in ihrem Netz fing. Abrupt zog Nica ihre parallel zu den Fliesen ausgestreckten Arme zusammen, zunächst nach vorn vor ihre Brust, im Nachgang preschte sie die Hände in einer fließenden Bewegung auf den Erdboden.
Zeitgleich beschwor sie ihren verheerenden Fluch: „Cadete nell‘ Oblio! Geratet in Vergessenheit!“
Kerben spalteten das Gestein.
Hunderte Arme, die nicht ihre waren, erschienen aus den Ritzen, hangelten sich empor, entlang der ausgefahrenen Seile.
Hände schnappten nach den Stricken, verschwanden daraufhin wieder in der Unterwelt, mitsamt darin gefangener Dämonen.
Die Schlitze verschwanden augenblicklich.
Kniend japste Nica nach Luft. Ihre Todbringer Magie funktionierte hervorragend, kostete sie dafür unheimlich viel Kraft. Zudem verschlang sie ein Stück ihrer Seele. Schattenelfen, die regelmäßig diese Methode eingesetzt hatten, waren der dunklen Seite verfallen. Deshalb gedachte Nica, die erlernte Technik als letztes Mittel zu verwenden. Böse zu werden, lag nicht in ihrem Sinn. Knatternd fiel eine der Türen auf, Horst stolperte herein. Hatte er den Eingang etwa gestreckt? Ach, wie süß, er sorgte sich um sie! (Würg!)
„Nica, zur Hölle!“, spie er, stampfte strammen Schritts auf sie zu „Geht’s dir gut? Wie kommst du Nudel darauf, allen Viechern gleichzeitig entgegenzutreten? Allein!“
Pause. Nica sagte nichts.
„Ich mein“, blubberte er munter fort, „schon klar, dass du Eier hast. Größere als so mancher Kerl. Aber Mensch, denk an mein schwaches Herz! Ich bekomm’ Zustände! Einen halben Infarkt!“
Trotz der miesen Lage überwältigte ein Lachanfall Nicas Gemüt. Wenn sie nur eine Person auf der Welt einen Freund nannte, dann Horst. Seit sie denken konnte, hatten sie beide Seite an Seite gekämpft. Immer. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, Horst hatte den Überfall überlebt. Unbeholfen half der Grobklotz der erschöpften Nica auf die Füße.
„Wie viele Feinde sind übrig?“, fragte er, verwundert über die leere Räumlichkeit.
„Keine“, erklärte Nica grinsend.
Entgeistert vermutete Horst: „Du hast den Vergessens-Bann ausgesprochen? Bist du irre? Du weißt, was anderen Nutzern passierte!“ - „Ja, ja!“, winkte Nica störrisch ab, „die waren aber keine Priester!“
Apropos! Der Satz erinnerte Horst an etwas Wichtiges.
„Du, übrigens“, berichtete er, indessen er Nica stützte und zum Ausgang bugsierte, „im Krankenflügel sitzt so 'ne Lichtelfe. Ein echt hübsches Ding, gell! Nicht scharf-sexy, einfach süß. Hat so glitzernde Kulleraugen. Ach ja, sie heilt gerade unsere Verletzten.“
Nica begaffte Horst unverständig. Was laberte er? Was für 'ne Lichtelfe? Ihr Starren schien ihn nicht zu kümmern, er plapperte drauflos: „Zu dem Mädel gehört 'ne Hexe, angeblich von der Erde. Ey, die mischte unsere fitten Kameraden gehörig auf, als die ihr quer kamen! Mann-O-Mann! Die ist ein rattenscharfes Gerät. Hässliche Klamotten, aber ein Vorbau! Junge, Junge!“ Horst grunzte und Nica schüttelte den Kopf, hoffte dadurch aus dem Albtraum aufzuwachen. „Die Erdenhexe hat fast so große Eier wie du, meine Liebe!“, sülzte Horst anerkennend.
Gott, worein war Nica hier geraten?
Leider setzte er noch einen drauf. An der gesprengten Tür verharrten sie kurz. Horst schaute Nica seltsam eindringlich an.
„Schätzchen, du solltest dir unbedingt die schwarzhaarige Braut anschauen“, empfahl er, „abgesehen von ihrer gebräunten Haut, die im starken Kontrast zu deiner steht, könntet ihr Zwillinge sein!“
Lange hatte das Trio nicht warten müssen. Dieser muskelbepackte Herkules kam nach kurzer Zeit zurück, ein ramponiertes Mädchen im Schlepptau. Yelina, Jessica und Shanti staunten. Wobei, das stimmte nicht ganz. Ihnen fiel buchstäblich die Kinnlade runter!
Die Schattenelfe glich der Waldelfe, wie ein Ei dem anderen. Gut, die Hautfarben waren unterschiedlich. Shantis bronzener Ton stand im Verhältnis zur Leichenblässe der verletzten Kriegerin. Deren versteinerte Miene stand wiederum im Gegensatz zur um Fassung ringenden Shanti, die Mut fasste und ihren Schattenelfen Zwilling ansprach: „Meine Adoptiveltern berichteten mir kürzlich, ich hätte eine Schwester. Mit eigenen Augen bezeuge ich den Wahrheitsgehalt der Aussage!“
Shantis Courage imponierte Jessica. Ihren Respekt hatte sie verdient. Unauffällig ließ die Hexe den Blick schweifen. Herkules plus Artgenossen glotzten verwirrt. Für sie schien die Information neu.
Shantis andere, ramponierte Version entgegnete trotzig: „Pah! Mir scheißegal, was irgendwelche Waldelfen brabbeln! Ich habe keine Geschwister! Ihr Leute seid uns fremd! Was zur Hölle verliert ihr in unserem Gebiet? Zum Teufel mit euch!“
Besorgt beobachtete Jessica die Reaktionen ihrer Begleiterinnen, die beide wesentlich sensibler waren, wie Jessi selbst. An Shanti nagte die Zurückweisung ihrer Blutsverwandten, so viel erkannte sie. Beherzt ergriff Jessica das Wort. In kurzen Sätzen gab sie die Geschehnisse auf Pura und Pulse Magia wieder, erwähnte das Auftauchen der Magier und ihre Aufgabe als die Auserwählte der Königin. Schweigsam hörten die umstehenden Kämpfer der Hexe Geschichte an. Die böse Schwester stampfte mit ihren beachtlichen Absätzen kontinuierlich auf den Boden. Das Hämmern brannte sich in Jessis Hörgang.
Nachdem sie geendet hatte, ihre Bitte äußerte, giftete die Diva mit den lila Haarsträhnen: „Ich gehe nirgendwo hin! Die Königin kann mich mal kreuzweise!“
Yelina und Shanti stürzten die Mienen vor Empörung ein. Sogar Chuck, der meistens neutral im Hintergrund blieb, hing seine klebrige Zunge aus dem Maul. Weniger schockierte das zickige Verhalten Jessica. Sie wohnte in New York!
„Welche Dämonen reiten dich, dass du solche Dreistigkeiten von dir gibst?“, entfuhr Yelina. Für ihre Verhältnisse entfuhr der Lichtelfe ein Schwall heftiger Emotionen.
„Auch wenn du mich nicht als Schwester siehst“, ergänzte Shanti, „du trägst die Verantwortung einer Priesterin!“
Das Schattenelfenmiststück fletschte wortwörtlich die Zähne.
„Pflichtbewusstsein demonstrierte ich bereits zur Genüge!“, rechtfertigte sie, reichlich arrogant, „nämlich indem ich eben eine x-fache Anzahl Dämonen eigenhändig ausmerzte! Wie viele tötetet ihr, huh?“
Provokant fixierte die Schattenelfe jedes der Mädchen sekundenlang. „Ihr Prinzessinnen auf der Erbse“, keifte sie, spuckte das Wörtchen Prinzessinnen verächtlich aus, „habt keinerlei Ahnung, was ein Leben auf Ecliso bedeutet!“
Ehe eine der jungen Frauen einen Mucks abgeben konnte, fuhr Nica über die Münder.
„Wir Schattenelfen sind von Eurer Majestät verflucht! Tagein, tagaus kämpfen wir, töten, fressen Scheiße, versauern in diesem elenden Dreckloch, während ihr auf der Sonnenseite eure Fingernägel feilt und Tee schlürft! Ich bin der Königin nichts schuldig!“
Zum Unterstreichen ihrer Wut, ferner der Abneigung gegenüber Celestia, rotzte Nica auf den Boden. Die Spucke glänzte im Schein des kargen Kerzenlichts.
„Außerdem“, beendete sie ihren Monolog, „erledigte ich, zusammen mit all meinen Kumpanen hier, die Drecksarbeit dieser verfickten Arschkriecher, gennant Krieger!“
Misses Diva breitete die Arme aus, deutete auf ihre Kumpanen. Beeindruckter Beifall unter ihresgleichen. Unabhängig von ihrem recht bescheidenen Dasein, für welches Jessica Verständnis erübrigte, hatte sie die Faxen endgültig dicke!
„Meine Fresse!“, blökte sie, „hörst du dir eigentlich selbst zu?“
Schlagartig suchten die Schattenelfen Deckung. Selbst der Herkules. Unbeeindruckt fuhr Jessi fort, da konnte die böse Schwester noch so böse gucken.
„Du Selfmade-Superelfe für Arme bist ein Jammerlappen höchsten Grades! Wenn dir dein Schicksal auf den Sack geht, ändere es doch! Heulen hilft dir nicht weiter! Und deine Wut auf die Königin von Licht und Magie auf Kosten Unschuldiger austragen ist armselig!“
Die Schattenelfe versteifte. Stöhnen raunte durch den Raum. Entgeistert begaffte die Männer, samt ihrem Mädchen Jessica.
Chuck hüstelte. Ihm bereitete die Situation anscheinend Vergnügen. Jessi rüstete sich zum verbalen Knock-Out. „Nimm endlich deine Pflicht ernst, wenn sie dir auch auf den Sack geht! Oder kannst du nur protzen, rumstolzieren und laute Töne spucken?“ - „Amen!“, flüsterte Chuck auf ihrer Schulter.
Bedrohlich machte die Hexe einige Schritte auf die Schattenelfe zu. Dadurch holte sie Herkules aus seiner Erstarrung. Schützend baute er sich vor der Diva auf.
Pech für den edlen Ritter, die Schattenelfe schob ihn beiseite, befahl barsch: „Horst, halt dich raus! Ich kümmere mich um Blondie!“
Horst? Hieß der Herkules allen Ernstes Horst?
„In deiner Verfassung?“, kam von der Seite. Die ehrliche Besorgnis stammte von Yelina. Jessica hob eine Augenbraue. Die Lichtelfe war doch echt ein Selchen.
„Für die da reicht meine Konstitution!“, fauchte die angeschlagene (fiese) Elfe. Sie entwand sich Horsts Schutz und trat Jessi gegenüber.
Beide Kontrahentinnen standen Nasenspitze an Nasenspitze. Die Schattenelfen feuerten ihre Gleichgesinnte an. Yelina schüttelte Shanti.
Ängstlich bat sie: „Bitte, tu etwas!“ - „Den sturen Böcken pinkle ich bestimmt nicht ans Bein!“, entschied die Waldelfe, unterdrückte ein freudiges Grinsen.
Divas Pupillen wanderten zu Jessicas Schulter.
„Bevor ich dich zerquetsche, Blondie, gestatte mir eine Frage“, zischte sie, „was für ein Teil hängt da über deiner Schulter?“
Jessica grunzte. Ernst gab sie kund: „Das“, dramatische Pause, „ist der Chuck Norris unter den Bartagamen!“
Obwohl Jessi mächtigen Eindruck schinden wollte, fing sie laut an zu lachen. Natürlich kapierte keine Sau den Scherz. Die Verblüffung, gepaart mit Jessis Lachanfall, führten dazu, dass die Diva auf einmal ins Gelächter einstimmte.
„Du blödes Huhn, hör mit dem Gegacker auf! Ich kann dich sonst nicht umpusten!“
Die Antwort bedingte noch lauteres Geschrei.
Jessicas Mädchen prusteten los, Horst tat es ihnen gleich. Die vor Spannung geladene Atmosphäre verwandelte sich in einen Zirkus. Das Eis war gebrochen.
Leider währte die gelöste Stimmung nicht lange. Blutüberströmt platzte eine Patrouille in das Krankenzimmer rein.
„Leute“, keuchte er mühevoll, „draußen. Dämonen. Überall! Eine Armee! Sie marschieren hierher!“
Hilflos wohnten die Anwesenden dem Zusammenbrechen des Elfs bei. Yelina rannte ihm entgegen. Horst half, verfrachtete den Verwundeten auf eine schäbige Matratze.
Unmittelbar begann die Lichtelfe mit der Heilung
„Sana!“
Goldenes Licht schimmerte über seinem Körper. Es dauerte Sekunden, anschließend atmete der Verletzte wieder regelmäßig.
„Scheisse!“, fluchte indessen die Schattenelfen Priesterin, „reicht diesen Mistkröten nicht, dass sie bei uns einbrachen, unsere Leute im Schlaf killten!“
Grantig kickte sie einen Abfalleimer fort.
Horst hielt sie an der Schulter.
„Egal, wie beschissen du das findest, Nica“, diktierte er „Du rächst dich keinesfalls allein!“ - „Ich bringe euch nicht in Gefahr“, diskutierte sie, „erst meinetwegen erfolgte der Schlamassel! MEIN Kopf soll rollen! Ihr seid bloß Kanonenfutter!“
Jessica lächelte. Sie legte eine Hand auf die Schulter des Mädchens namens Nica. Aufbauend gebot sie: „Wir sitzen in einem Boot. Deshalb rudern wir vereint durchs Ziel, oder gehen gemeinsam unter!“
Das erste Mal in ihren 16 Lebensjahren fühlte Nica einen Hauch von Respekt. Bereitwillig nickte sie.
Und so passierten Hexe Jessica, Lichtelfe Yelina, Waldelfe Shanti und Schattenelfe Nica die Festung Arsurra.
Horst und Co.KG rüsteten zum Kampf, blieben vorerst zurück.
Chuck visierte die tote Ratte auf dem Boden an. Sein Magen knurrte.
Außerhalb wurden die Kriegerinnen von der Armee der Finsternis erwartet.
Das Quartett begegnete hunderten Ungeheuern.
„Jemand eine Idee?“, fragte Shanti.
Yelina, in Schockstarre, nicht ansprechbar, stand mit weichen Knien und hoffnungslosem Blick in der Gegend herum.
„Ich nehme die Hälfte, den Rest teilt ihr auf“, antwortete Nica.
Jessica krümmte die Brauen und seufzte.
Inmitten der Dämonenschar erschien ein Portal.
„Schon wieder?“, äußerten Jessi und Shanti gleichzeitig.
„Dann stimmen die Gerüchte? Unsere Feinde erschaffen eigene Tore!“, staunte Nica.
„Jap, die sahen wir heute öfter!“, pflichtete die Hexe bei.
Aber dieses Mal durchschritt eine Frau das Loch. Auf den Boden fallende schwarze Haare und gleichfarbige Augen gehörten einer wahren Schönheit. Bildhübsch äußerlich, verriet die verstörende Aura ihr hässliches Innere.
„Tag, die Damen“, schnurrte sie mit öliger Stimme, „mir wurde Ehre zuteil, den Tod der Priesterin der Flammen herbeizuführen. Es scheint, heute ist mein Glückstag! Ich darf euch Priesterpack alle auf einmal ausmerzen!“
Oh Wei! Noch eine, die vor Selbstbewusstsein strotzte!
Yelina übergab sich gleich, Jessica tätschelte ihr den Rücken, während sie die Frau befragte: „Du bist eine Schwarzmagierin …“ – „… Und die Anführerin dieser Clowns? Schicktest du die Dämonen, uns anzugreifen?“, ergänzte Nica den angefangenen Satz.
Die Noblesse grinste bösartig, zum Vorschein traten gelb-schwarze, spitze Zähne.
Immerhin ein Makel.
„Allerdings tat ich das!“, gestand sie, „das Feuer sollte die Ameisen aus ihrem Bau treiben. Funktionierte bravurös. Hahahahahaha!“
Ihr hässliches Lachen hallte über die Gebirgskette, der üppige Brustkorb hob und senkte sich dabei, gab einiges ihrer perfekten Figur preis, welche das schwarze Samtkleid nur spärlich bedeckte.
Als ihr Gelächter erstarb, fügte sie hinzu: „Damit ihr wisst, wer euch jede Sekunde hinrichtet, stelle ich mich höflich vor. Mein Name ist Jeajette und …“, – „Warte!“, grätschte Nica dazwischen.
An die anderen Mädchen gewandt, fragte sie: „Habe ich das richtig verstanden, die Tussi heißt Schaschett?“ - „Ich verkündete euch, ich beiße Jeajette!“, dröhnte die Betuchte inmitten ihrer Dämonen, die auf ihr Signal zum Angriff warteten.
Nica verstand derweil Bahnhof.
„Das meine ich doch! Schaschett! Im Ernst, wer kommt denn bitte auf solche bescheuerten Namen!“
Zunächst leise, dann schallend laut, johlten die verbliebenen drei, samt Yelina, über die freche Zunge der Kriegerin. Gelbzahn schien vom Schlag getroffen, unfähig zu verstehen, was gerade passierte. Angst, eine mächtige Waffe, verankert und präsent in den Köpfen, lähmte ihre Opfer. Gedankenlosigkeit und Handlungsunfähigkeit als mögliche Folgen, bargen Gefahr. Für einen Moment hatte Furcht die vier Kriegerinnen beherrscht. Dank Nicas zügelloser Ehrlichkeit, ersetzte sie ein anderes Gefühl: Zusammenhalt.
„Respektlosigkeit dulde ich nicht!“, schrie die Magierin.
„Oscurità!“
Anders zu Sydney, umhüllte kein Aurakokon die Feindin, sondern Magie wandelte ihre Gestalt.
Ihr Körper wuchs in die Länge, hölzerne Arme sprossen daraus, messerscharfe Finger zierten die übergroßen Klauen. Lange insektenartige Beine stabilisierten den dünnen Torso. Das skurrile Skelett erinnerte insgesamt an eine Fangschrecke. Yelina fiel fast in Ohnmacht.
Im Augenwinkel bemerkte Nica die schwankende Lichtelfe, flüsterte ihr ins Ohr: „Denk daran, das Insekt da drüben heißt Schaschett!“
Die scherzhafte Tonlage beruhigte Yelina.
Königin Heuschrecke befehlige indes ihren Untertanen loszulegen.
„Wartet!“, bestimmte Jessica, bevor die Kämpferinnen auseinander preschten.
Jessi faltete ihre Hände zum Gebet. „Gute Magie, sei an unserer Seite und hilf uns, das Richtige zu tun. Bitte beschütze uns im Kampf gegen das Böse.“
Ehrfürchtig sahen die Mädchen ihre eben anerkannte Anführerin an. In Kürze erreichte die erste Battalion Dämonen ihre Position.
Fokussiert legte die Hexe ihre Hand auf den Mondstein und ließ ihr Herz sprechen: „Wind Puras, sei ihre Kraft, verleihe deiner Priesterin Macht. Wald Falver, sende gespeicherte Energie, leihe deiner Priesterin die naturbelassene Magie. Flammen der Unterwelt, seid ihre Gefolgschaft, brennt durch eurer Priesterin Leidenschaft. Helft ihnen, Lüfte Puras, Wälder Pulse Magias und lodernde Brände Eclisos, das Böse zu bekriegen und im Namen ihrer Vorfahren zu siegen.“
Das Böse rückte näher.
„Alle Hexen auf Erden, gebt mir Kraft. Königin, gestehe mir meines Steines Macht, Mondlicht, leih mir Energie, hilf mir, das Dunkel zu vertreiben und hellem Licht im Universum zu bleiben!“
Ermutigt durch ihren spontan entwickelten Zauber, beschworen die Kriegerinnen ihre Magie, in dem Augenblick, als die Scharen der Unterwelt über sie hereinbrachen.
„Luna, mi senti! Mi presta l‘ Incanto delle Strege! Mond hör mich! Sende mir den Zauber der Hexen!“
„Vento, mi da Forza! Mi presta la Magia Bianca!“
„Foresta, mi da Forza! Mi presta la Magia della Natura!“
„Fiamme, mi da Forza! Mi presta la Magia delle Guerreri caduti!“
Mondstein, Perle, Bernstein und Hämatit glühten. Farben des Mondes, reinen weißen Lichts, des Waldes und tosender Flammen der Verstorbenen schattierten die finstre Nacht Eclisos. Zwei atemberaubende Geschöpfe sprangen aus dem Lichtermeer.
„Ascia Indiana!“
Die Waldelfe stürzte mit ihrer riesigen Tomahawk Axt auf den nächsten Feind und hob ihn entzwei. Ihrer gleich tat es die Schattenelfe.
„Pugnale Doppio!“
Ihre Colichemarde Dolche im Anschlag, schlitzte sie mehreren Feinden die Kehle auf.
Gemeinsam pflügten die zwei Schwestern durch die Gegnerschar und fällten einen Dämon nach dem anderen.
Jessica staunte derweil. Die Königin erhörte ihren Ruf, sendete ihnen aber offensichtlich nicht nur magische Kraft, sondern verpasste ihren Kriegerinnen auch gleich neue Outfits!
„Träume ich? Das ist ja wie im Kino! Voll die Special Effects“, murmelte Jessica, betrachtete die Mädchen. Daraufhin schaute sie an sich selbst herab. Den senfgelben Pullover, samt ihrer Jeans, ersetzte ein langes, hellblaues, fast durchscheinendes, aus edlem Stoff bestehendes, rückenfreies Kleid. In ihrer Hand, so bemerkte sie, hielt die Hexe einen bodenlangen Zauberstab aus poliertem und versiegeltem Holz. Den Mondstein trug sie nicht mehr um ihren Hals, er besetzte den Platz an der Spitze des Stabes.
Yelinas weiß-goldene Schwingen breiteten ihre Längen aus. Das Leinenkleid war verschwunden. An seiner Stelle bedeckte ein goldener, bauchfreier Brustpanzer ihre Oberweite. Ein Gürtel in selbigem Goldton zierte ihre Hüfte und stützte die weiße Lederhose, welche in goldenen Stiefeln endete.
Yelinas hübsches Gesicht besetzte ein Goldhelm mit kleinen Flügeln an den Seiten.
Vermutlich stellten sich die Menschen Engel nach Yelinas Ebenbild vor. Oder Walküren. Womöglich eine Mischung aus beidem.
Nica tanzte, ihre Dolche durchschnitten die Luft. Ihre rabenschwarzen Haare samt lila Strähnen bändigte eine Kopfbedeckung aus Knochen. Gänzlich eingehüllt in schwarzes Leder wirkte sie wie eine Domina. Nebenbei unterstrich der enge Einteiler alle Muskeln ihrer schlanken Figur. Trotz High Heel Overknees bewegte sich Nica mit auffallend anmutiger Grazie. Zwilling Shanti, ausgestattet mit identischem Ledereinteiler und Stiefeln, nur in nussbrauner Farbe, schwang die Axt.
Dämonen verloren sämtliche Gebeine.
Die jumpsuitnahe Kluft wies am Bauch und Rücken freie Zonen auf. Shantis Schulterblätter und Bauchnabel lagen frei, was ihr Bewegungsfreiheit gewährte, welche sie zum Schwingen ihrer überdimensionalen Waffe benötigte. Die Kleidung verlieh ihr eine wilde, ungezähmte Optik. Gegensätzlich zu den anderen wechselten ihre Haare den Farbton.
Holzelemente, die an Äste erinnerten, banden die nach der Beschwörung fliederfarbene Haarpracht zurück. Shantis Haarfarbe glich Nicas Augenfarbe. Jessica fehlten die Worte.
Magie – einfach fabelhaft!
Yelina stutzte, unschlüssig über ihre nächsten Schritte. Sie besaß weder Waffe noch beherrschte sie Angriffsmagie.
Horst betrat das Schlachtfeld, in seiner Hand trug er einen Gegenstand.
„Puramädchen“, rief er.
Als er sie entdeckte, hielt er einen Moment inne, fasziniert von ihrer Erscheinung. Wenige Sekunden danach fasste er sich, trabte zu ihr rüber.
„Ich habe etwas für dich!“, stotterte er, fast geniert, völlig unüblich für einen Schattenelfen.
„Dies, dies gehörte deiner Mutter.“
Horst reckte ihr eine Waffe hin.
Momentan wusste Yelina nicht, was sie sagen, noch was sie davon halten sollte. Darum räusperte sich der Schattenelf.
„Sie war eine besondere Frau. Mutig. Couragiert. Als Einzige deiner Art betrat sie diesen Planeten.“
Er schluckte. Stiegen ihm etwa Tränen in die Augen?
„Ich konnte mich damals nach einem heftigen Kampf mit mehreren Gegnern nicht mehr bewegen“, erzählte er betrübt, „ohne sie wäre ich verblutet und gestorben. Ihr verdanke ich mein Leben!“
Nun fiel ihr die Wahrheit wie Schuppen von den Augen. Ihn hatte ihre Mutter gerettet. Damals, am Tag ihres Todes.
„Leider“, betrauerte Horst, „war es mir nicht möglich, sie zu beschützen! Verzeih mir!“ - „Natürlich verzeihe ich dir!“, hauchte Yelina.
Horst nickte dankbar und ehrlich berührt.
„Nimm dies, Kind! Und führe das ehrenvolle Erbe deiner Mutter weiter!“
Froh über sein Bekenntnis und weil sie das Opfer ihrer Mutter würdigte, übernahm Yelina die Hellebarde.
Ein Untertan nach dem anderen fiel. Folglich mischte die Insektenfrau jetzt im Geschehen mit. Ihre Klauen sausten auf die Zwillinge nieder. Beide wichen mittels eleganten Sprüngen aus, doch das Miststück handelte schnell. Weitere Schläge der Scheren trafen die Mädchen in der Luft, warfen sie brutal zu Boden. Die Klingen stoben auf sie nieder.
Gerade rechtzeitig erzeugte Jessica einen Zauberwall, welcher den Übergriff blockierte.
Dämonen stürzten auf die benommenen Mädchen zu. Jessi löste den Bann und fächerte imaginär mit ihren Händen, woraufhin die Feinde rückwärts segelten.
„Hach, Telekinese ist schon etwas Tolles!“, säuselte die Hexe.
Die Zeit gereichte, damit Shanti und Nica auf die Füße kamen.
Gleichauf sang die Schwarzmagierin: „Oscurità!“
Dunkle Macht sammelte sich um ihre Arme, die sie entließ.
Wie eine Sichel schossen ausgelöste Energiespalten querfeldein und zerschnitten sowohl verdorrte Bäume, Felsen, genauso im Weg stehende Dämonen. Analog ihres grauhaarigen Partners interessierte die Frau etwaige getötete Gefolgsleute keineswegs.
Die scharfen Kerben spalteten einige Bestien mittendurch. Jessica baute erneut eine Schutzwand. Der starke Angriff der Magierin stürzte die Mauer jedoch ein.
Wald- und Lichtelfe sowie die Hexe kassierten einen direkten Treffer. Dank ihres Kriegerinnen-Status, sprich ihrer Magie, blieben sie ganz, aber massenhaft Blut strömte aus gewaltigen offenen Wunden, versaute die schönen Kleider.
Die Mantiskönigin setzte zum nächsten Streich an. Ein erneuter Volltreffer würde die drei möglicherweise das Leben kosten.
Urplötzlich erschien der Phönix aus der Asche. Lichtelfe Yelina konterte den Stieb des gewaltigen Insekts mithilfe ihrer prachtvollen Hellebarde. In keinem Vergleich zu vorher schwebte sie mutig vor dem Angesicht der mächtigen Feindin. Deren Glupschaugen belächelten das engelsgleiche Geschöpf.
Unerbittlich drosch die Böse auf die im Kampf ungeübte Elfe ein. Die wiederum hielt so gut es ging stand. Anhand ihrer geerbten Stabwaffe wehrte sie die sichelartigen Klauen ab.
„Ich muss die Kriegerinnen heilen! Aber wie?“, überlegte Yelina.
Schlachtrufe im Hintergrund gaben ihr die Antwort darauf.
Als Horst die Hellebarde übergeben hatte, war er nach Arsurra zurückgekehrt. Ausschließlich, um Verstärkung anzufordern.
Also bitte, Schattenelfen liebten einen guten Kampf! Wieso den ganzen Spaß verpassen?
Zusätzlich hatten ihn die Courage und der Charakter der Lichtelfe beeindruckt. Sie verzieh ihm, mit Worten und Gesten, obwohl, wegen seines Versagens, ihre Mutter gestorben war.
Die unversehrten, wie auch von Yelina geheilten Männer und Frauen stürmten das Schlachtfeld, rannten heranrückende Dämonen über den Haufen, beschützten die verwundeten Mädchen, des Weiteren verletzten ein paar durch ihre eigenen Stichwaffen die Beine des Monsters. Darüberhinaus verschaffte ihr Eingreifen Yelina den notwendigen Vorsprung.
Kräftige Flügelschläge brachten sie zu den Mitstreiterinnen. Ohne zu zögern, setzte sie ihre Heilmagie ein.
„Diese Kuh ist stark!“, klagte Jessica. „Eher dieses Insekt“, korrigierte Shanti.
Nica grinste.
„Sprichst du von Schaschett!“
Augenblicklich grölten die Mädchen.
„Jessica“, unterbrach Yelina das Gelächter.
Sofort erhielt sie die Aufmerksamkeit ihrer Kameradinnen. „Wenden wir einen gemeinsamen Zauber an, richten ihn auf die Anführerin. Gegen Sydney funktionierte das wunderbar!“, schlug sie vor.
Shanti unterstützte die Lichtelfe: „Die Idee, ihre Chefin anzugreifen, finde ich gut. Schlägst du den Boss, flüchten die Ameisen“ – „Und meine Kollegen sollen den Ruhm nicht allein ernten!“, mischte sich Nica ein.
„Was denkst du, Jessica?“
Alle Augen waren auf die Hexe gerichtet. Sie lächelte.
„Mädchen, nennt mich Jessi! Und jetzt hört mir zu!“
Horst erreichte das Ende seiner Kraft. Es waren zahlenmäßig zu viele! Ihre verletzten Beine hielten die insektenartige Kreatur nicht ab, den Elfenkämpfern zuzusetzen.
Falls kein Wunder geschah, würden die Schattenelfen ihre erste und bitterste Niederlage erleben.
„Circoli delle Strege! Mit all meiner Macht!“
Das Zirkelmandala der Hexe breitete sich großflächig aus. „Bastione per Protezione Alleati!“
Ein Schutzwall zog sich über das Feld und sicherte die Verbündeten. Maximal fünf Minuten schaffte Jessica den allumfassenden Zauber aufrechtzuerhalten.
Zeit genug.
Weitläufig bestaunten die Schattenelfen, wie drei Priesterinnen den Kampf für sie fortsetzten.
Die Hexe, trotz ihres kräftezehrenden Protektionszaubers, wirkte einen weiteren Spruch: „Volate!“
Dank der Unterstützung der Hexe flogen Shanti und Nica. Gleichlaufend die Insektenfrau ihre Angreiferinnen wie Fliegen wegscheuchen wollte, veränderte Jessi via Telekinese deren Flugbahn. Die Schwestern landeten jeweils auf einem der dürren Arme. Den Schwung nutzen sie als Trampolin und katapultieren sich erneut in die Luft. Beide Mädchen erweckten ihre Waffen. Gezielte Hiebe trennten die Greifer der Fangschrecke von den schmalen Schultern ab.
Vor Schmerzen sank Jeajette zusammen, verwandelte sich in ihre menschliche Gestalt zurück.
Sekündlich krakeelte Yelina: „Sancto!“
Der Weißmagiezauber traf die Schwarzmagierin voll Karacho. Zur Erholung blieb ihr keine Zeit.
Nica aktivierte ihren Vergessen-Bann.
„Mille Gemme! Cadete nell’ Oblio!“
Mittels ihrer verlängerten Hämatit Kette schickte die Priesterin der Flammen die Dämonen in den tiefsten Abgrund der Hölle.
Dabei erinnerte sie sich an die Worte, welche Jessica vorhin an sie gerichtet, als die Schattenelfe von ihrer Fähigkeit erzählt hatte. „Mädel! Dein Zauber ist mächtig, aber wie jeder Bann auch neutral. Allein der Nutzer bestimmt, ob Magie für Gutes oder Böses eingesetzt wird. Du wirst bei Anwendung kein schlechter Elf, solange du dich entscheidest, gut zu bleiben!“
Shanti entfesselte im selben Moment die Macht der Natur.
„Foresta, cresce!“
Wurzeln wuchsen aus der Erde. Die Priesterin des Waldes nutze sie als festen Stand, erfasste die Energie der Natur. Ecliso schenkte ihr Macht. Der Planet war ganz und gar nicht böse, eher – dankbar!
Shanti beschwor einen Bogen: „Arco!“
Ruhige Hände legten einen Pfeil an, spannten ihn. Yelina, Priesterin des Windes, konzentrierte sich auf das Pfeilgeschoss, ließ weiße Magie in ihn fließen. Grimmig erhob sich die Schwarzmagierin, gerade in dem Augenblick, als Shanti den Pfeil schoss. Seine Spitze traf mitten ins Schwarze.
Das schwarze Herz durchbohrt, verendete die zum Mensch gewordene Mantiskönigin Schaschett sofort. Ihre Leiche sank zu Boden.
Bevor sie Asche zu Asche zerfiel, trat ein Riss in der Atmosphäre ein, bildete in Loch.
Dunkelheit sickerte daraus und in Erscheinung trat Sydney, vollständig erholt, außerdem in eine schwarze Rüstung gekleidet. Versteinert beobachtete die Kriegerschar, wie er die tote Schwarzmagierin hochhob.
Er entdeckte Yelina, hauchte ihr fast zärtliche Worte zu: „Keine Sorge, Täubchen, ich bin hier auf Geheiß meiner Königin. Sie verlangt den Leichnam. Ich habe keine Intension, anzugreifen. Aber seid gewarnt! Beim nächsten Mal merzen wir euch aus!“
Sydney lächelte. Sein Anblick erinnerte an einen schwarzen Ritter. Gutaussehend. Tödlich.
„Hm, vielleicht bis auf dich, Engelchen“, sülzte er, wandte sich Richtung Portal, „dich behalte ich als Trophäe!“
Er verschwand, mitsamt Jeajette.
Nach den vergangenen Geschehnissen kehrten die Schattenelfen in ihr Zuhause zurück.
Mehr denn je verstanden sie die Notwendigkeit ihrer aufgetragenen Aufgabe. Genauso wie Nica. Einen rührseligen Abschied gab es auf Ecliso grundsätzlich nie, aber den erwartete sie auch nicht. Lediglich der Horst drückte Nica an sich und wünschte ihr viel Glück. Heimlich wischte die Schattenelfe sich eine Träne aus ihrem Auge. So, dass es keiner sah, sie könnte immerhin einen Ruf verlieren. Yelina war ebenfalls nach Weinen zumute. Die Worte ihres mehr oder weniger Freundes brannten sich in ihre Gedanken.
Außerhalb der Gebirgskette verharrten die Frauen einen Moment an dem Platz, auf welchem Nica den verstorbenen Krieger beschworen hatte. In Kürze berichtete sie von seiner Erzählung. Ach ja, Chuck glänzte mit Anwesenheit. Sein Bäuchlein wog schwer, als ob er kürzlich eine üppige Mahlzeit verputzte.
Unabhängig seines vollen Magens arbeitet sein Verstand klar.
Als er sich wieder auf Jessis Schulter gesellt hatte, erklärte er: „Nekromanten sammeln Kraft durch das Einverleiben der Energie von Toten. Möglicherweise musste der Junge deshalb die Leiche abholen.“
Die Mädchen benötigten einen Moment des Verständnisses.
Jessica fasste nach der Pause zusammen: „Eine extrem mächtige Magierin stieg direkt aus der Hölle empor. Sie kann Tote nicht nur kontrollieren und als Zombie-Sklaven missbrauchen, sie zieht auch Energie aus ihren Leichnamen. Wahrscheinlich erwischten sie die Krieger der Königin deswegen nicht, weil es ihr auf unbekannte Weise gelingt, eigene, interdimensionale Tore ohne festes Portal ganz willkürlich zu erschaffen.“
Bisher kamen die Mädchen mit, ihnen leuchtete das Erzählte ein.
„Diese Fähigkeit besitzen ebenfalls ihre Gefolgsleute, zumindest die mächtigen“, fügte Jessica hinzu. Angestrengt rieb sie ihre pochende Stirn. Was gäbe sie für ein paar Aspirin!
„Sobald sie den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, greift diese Nekromantin vermutlich alle magischen Planeten und anschließend Lume, das Königreich von Licht und Magie an.“
Jetzt seufzten die Mädchen, eine nach der anderen. Die Kost war schwer verdaulich.
„Keiner weiß, wann dieser Zeitpunkt konkret kommen wird“, stöhnte Jessica frustriert, „wir können nur davon ausgehen, dass er das magische Universum einmal ereilen wird.“
Betretenes Schweigen. Yelina starrte zu Boden, Shanti schob mit ihren Füßen einen abgebrochenen Ast von rechts nach links und umgekehrt. Breitbeinig und mit verschränkten Armen stand Nica neben Jessi, atmete tief ein.
Jessica schaute ihre Mädchen reihum an.
„Um zu verhindern, dass die Königin Gegenmaßnahmen einleitet, die ihre Kräftesammlung, in Form von Energie aus Toten saugen verhindert, schickte sie die Schwarzmagier“, vermerkte sie „Die Gruselgestalten sollten euch Priesterinnen kaltstellen, ehe ihr die mächtigen Elementkrieger erweckt. Habe ich etwas vergessen?“
Während von Yelina und Shanti bloß Kopfschütteln folgte, lobte Nica: „Nein, das war es im Großen und Ganzen. Gut kombiniert!“ - „Doch, eine Sache“, äußerte Chuck.
Das sprechende Getier erhielt die geballte Aufmerksamkeit.
„Das Essen hier ist eklig! Mir ist schlecht! Jemand einen Schnaps dabei?“
Die Priesterinnen gafften, Jessica stöhnte.
„Nun denn“, fragte Shanti, wechselte schnell das Thema „Jessi, was machen wir jetzt?“
Die Hexe stellte Nica eine Gegenfrage: „Hast du deinen Elementstein bei dir?“ - „Ja“, bestätigte Nica, „ich verstaue ihn in meinem Stiefel.“
Shanti lachte auf. „Wir sind wohl wirklich Zwillinge! Da horte ich meinen ebenso!“
Verschmitzt lächelte Nica ihr Gegenstück an. Scheinbar war das Eis gebrochen.
Unterdessen wollte Yelina wissen: „Welchen Edelstein magst du wohl bewachen?“
Kokett zwinkerte die Schattenelfe.
„Was denkst du?“, fragte sie stolz, „mein zugeordnetes Element ist das Feuer. Ich passe auf einen Rubin auf.“
Ehrlich begeistert staunten Yelina und Shanti. Chuck verhielt sich neutral.
„Gut!“, unterbrach Jessica die Mädchen, „drei Priesterinnen, plus zugehörige Elementsteine und die Eidechse ist auch wieder da.“ - „Bartagame“, rief es von ihrer Schulter.
„Wie auch immer!“, frotzelte Jessi „Jedenfalls haben wir auf Ecliso nichts mehr verloren!“
Grüblerisch schaute sie zum dunklen Himmel hinauf. Schwarze Wolken zogen vorbei.
Komisch, obgleich Ecliso einem Friedhof glich, fühlte die Hexe hier eine entspannte Ruhe.
Außerdem behagte ihr die Nacht eher, denn die ständige Taghelle auf Pura. Aber eigentlich fehlte ihr doch ihr Zuhause.
„Einen Priester müssen wir noch finden“, raunte sie gegen den stärker werdenden Wind, wandte sich dann direkt an ihre Mädchen: „Lasst uns auf dem Rückweg darüber sinnieren. Da wir, so wie wir hier stehen, keine Kenntnis über seinen Aufenthaltsort haben und ich bestimmt für uns alle spreche, wenn ich behaupte, wir sind vom heutigen Tag erschöpft, genügt die Suche für den Augenblick!“ - „Aha, soll was genau heißen?“, grunzte Nica, die sich an ihrem Hinterteil kratzte. Schattenelfen waren schon ein wenig derb.
Jessica räusperte sich. Grinsend erklärte sie: „Wir machen uns auf zur Erde!“