Starke Gedanken

„Ich vertraue in die Welt, die meine Freundinnen verteidigt haben!“
Sailor Moon

Weißer Palast Lume – Lume

Sie erinnerte sich nicht, wann sie die Stufen des Schlosses letztmalig emporgestiegen war. Genauso wenig vergegenwärtigten sich andere Details aus früheren Leben. Durchaus hatte sie sich entsonnen, Lume durch das magische Portal betreten zu können. Ein Privileg, das die Krieger der Königin und sie, ihre Tochter, erhielten. 

Arianna betrat den Weißen Palast. Ihre Mutter erwartete sie. Engelsgleich schritt Celestia ihr entgegen, die Haare funkelten wie tausende Diamanten.
Jede Bewegung zeugte von unverkennbarer Eleganz und Anmut. Die zarte Gestalt der Königin in ihrem engen, weißen Kleid wirkte zerbrechlich. Sie schloss ihre verlorene Tochter in elfenbeinfarbene Arme.
„Arianna, mein Kind!“, hauchte sie liebevoll. Die Augen Celestias wechselten ihren Ton.
Normalerweise Türkis, nahmen sie bei Aufregung einen eisblauen Glanz an.
Im Hintergrund erkannte Arianna ihren Vater, König Koleos. Zunächst legte er zärtlich eine Hand auf die schmale Schulter seiner Frau, dann wagte er Arianna ebenfalls innig zu umarmen.
„Wir haben keine Zeit!“, mahnte Anna, beendete damit jegliche Romantik.
Traurig sahen die Eltern das Kind an.
„Mutter, du spürst sie bestimmt, diese pulsierend bösartige Präsenz!“, fuhr das Mädchen fort.
Bedächtig nickte Celestia. Verzweifelt schaute sie ihrem Ehemann in die Augen und sprach daraufhin: „Jenes Wesen ist mächtig genug, eine eigene Dimension innerhalb des kosmischen Raumes zu erschaffen, in welcher es sich versteckt hielt. Artemisia, unsere amtierende Wächterin der Zeit, fand Spuren der magischen Sphäre. Jahrelang fühlten wir Ausläufer der Aura, fanden niemals konkrete Beweise für die Existenz eines derart starken Geschöpfs.“
Anna hörte die Informationen, stellte anschließend die logische Frage: „Ist dies der Grund, warum ich nicht früher erwachte?“
Ein kurzes Aufflackern in Celestias Blick zeigte Arianna, dass offenbar mehr dahintersteckte, die steife Körpersprache des Königs betätigte ihre Theorie.
„Vermutlich“, gab die Königin knapp zurück.
„Und die Wahrheit?“, forschte die Tochter nach.
Celestia und Koleos schwiegen. Gespannt wartete Arianna. Schenkte ihr die höchste Herrscherin alles Guten eine plausible Erklärung, oder tischte sie ihr eine Lüge auf?
„Es tut mir leid, mein Schatz“, brach ihre Mutter endlich die schweigsame Stille, „der Grund deines langen Schlafes würde deinen bevorstehenden Kampf beeinflussen.“ - „Oh, und du meinst, durch diese Aussage fühle ich mich besser, ja? Mysteriöse Umstände verlangsamten das Rad des Schicksals, stoppten beinahe meine universelle Bestimmung, den Grund darf ich allerdings nicht erfahren, da ich das Kämpfen vergessen könnte?“, schrie Anna aufgebracht.
Im Laufe der verstrichenen Monate hatte sie von ihren Freundinnen gelernt, unter anderem, den Mund aufzumachen.
Der Wutausbruch verletzte ihre Mutter. Gebückt lehnte sie ihren Kopf an die Schultern ihres Mannes.
„Es spielt keine Rolle mehr“, sagte Arianna leiser. Verbittert.
„Unabhängig vom Ausgang des Gefechts, ob Sieg oder Niederlage, ich sterbe sowieso!“
Stark und bereit, wandte sie sich um, lief Richtung Ausgang, hörte ihre Mutter Luft schnappen.
Die Königstochter drehte ihren Kopf ein letztes Mal.
„Sagt mir, hattet ihr mich eigentlich je lieb?“
Celestia weinte, so auch ihr König.
Ihre Antwort überraschte Anna.
„In jedem Leben!“

Nermor – Ecliso

Eclisos Hölle namens Nermor glich einer Eiswüste. Überall bedeckten Leichen den kalten Grund. Normalerweise verfaulten Kadaver bei Hitze, die toten Magier und Dämonen hier entsprachen wohl der Ausnahme.
Arianna durchquerte ein Portal nahe dem Eingang. Womöglich sah der Südpol auf der Erde exakt gleich aus. Ohne die zahlreichen leblosen Leiber an jeder Ecke.
Etwas spät bemerkte Anna, kontraproduktiv für diese Umgebung gekleidet zu sein. Wie bereits auf Pulse Magia trug sie Jeans, schwarze Stiefel, ein passendes Tanktop und eine leichte Jeansjacke. Die schneidende Kälte machte selbst einer Kriegerin ihres Schlags ordentlich zu schaffen. Frostiger Wind pfiff um ihre Ohren, die ihr gefühlt abfielen. Immerhin lagen ihre Haare offen und bedeckten die gekühlten Wangen notdürftig.
Deutlich spürte Anna eine starke, negative Präsenz, die Schwingungen des Bösen konnte sie fast greifen. Enorme Energiestrahlungen fuhren ihr durch Mark und Bein, genauso wie die ekelhafte Kälte.
Welche Wahl blieb ihr schon?
Das Schicksal bestimmte Arianna zu seiner Marionette, oder wie es Nica ausdrücken würde, zu seiner Schlampe.
Getreu des Mottos bereitete sie ihren Geist auf baldige Höllenqualen vor.
Gleichzeitig fühlte Ultia Empia den eindringenden Parasiten der guten Seite.
Voll Vorfreude lächelte sie.
Nach jahrelanger Abstinenz sehnte sie eine gute Schlacht herbei.
Fatum gewährte ihr einen entscheiden Vorteil: Diese Umgebung kannte die Königin der Toten auswendig, beherrschte sie gewissermaßen.
Mut musste diese Kriegerin haben, wenn sie freiwillig eindrang.
Ultia Empia wartete gespannt, bis die vorgesehene Fügung die Mächtigsten beider Parteien zusammenbrachte. Dann würde das Spiel beginnen und das Wiegenlied des Todes seinen Verlauf untermalen.
Instinktiv wusste Arianna, wohin sie zu gehen hatte. Die unheimlich starke Ausstrahlung ihrer Opponentin wies ihr den Weg.
Etwa eine Stunde marschierte sie durch die Gegend. Kaum mehr spürte sie ihre Zehen, Taubheit erfasste ihre gesamten Beine. Anna fror bitterlich.
Schließlich erreichte sie eine vielversprechende Stelle, ein unebenes Gebiet zwischen Felsmassiven eingeschlossen, das vor Bosheit sichtbar pulsierte.
„Ich weiß, dass du da bist. Hör endlich mit dem Versteckspiel auf und stell dich mir!“, brüllte Arianna über das eisbedeckte Feld.
Ein grausames Lachen ertönte, welches die Gletscher zum Beben brachte.
Plötzlich riss der Boden unter Annas Füßen ein, sie schaffte gerade noch den aufbrechenden Furchen auszuweichen.
Klischeehaft stieg aus der Tiefe eine Erscheinung empor.
Ihre Gegnerin war zweifellos atemberaubend, ihre Stärke unbestritten. Aber, wie Nica es formulieren würde, die Bitch war genauso eine beschissene Drama-Queen.
Aschgraue Haut, blutrote Augen und pechschwarze, taillenlange Afro-Locken gehörten einem riesigen, mit weiblichen Kurven versehenen Körper.
Ein schwarzes, eng anliegendes Kleid bedeckte dürftig die notwendigsten Stellen.
Die Eiseskälte schien die Frau keinen Deut zu scheren. Abgesehen davon wollte Anna lieber nicht wissen, aus wessen Haut ihre Garderobe angefertigt wurde.
Inmitten der pompösen Krone steckte ein schwarzer Magiestein.
Zweifellos. Eine beschissene Drama-Queen!
Die Nekromantin zögerte nicht, nutze den Moment für einen ersten Angriff.
Ohne mit der Wimper zu zucken, schickte sie einen Sturm wirbelnder Klingen.
Anna sah sie kaum kommen, sprang intuitiv vom Boden ab und machte rechtzeitig eine Rolle vorwärts. Die Schneiden stoben vorbei, durchtrennten dabei einen hinter Arianna liegenden Felsen.
„Das war ein Warnschuss, zum Aufwärmen“, höhnte die ölige Stimme der Todbringerin, „Ultia Empia. Erfreut, dich baldig auszumerzen, du nervende Zecke!“
Na, was für eine Begrüßung! Ungelenk rappelte sich Anna auf.
„Arianna, Tochter der Königin, gleichzeitig eine ihrer Kriegerinnen! Erfreut, dich daran zu hindern!“
Das folgende, schallende Gelächter gefror ihr das Blut in den Adern.
„Dein Selbstbewusstsein gefällt mir, Königstochter! Schade, dass du der gegnerischen Gruppe dienst!“ - „Genug der Worte!“, entschied Arianna, „lassen wir Taten sprechen!“ - „Schätzchen, zeig mir erst, was du drauf hast. Mit einem kleinen Fisch gebe ich mich nicht ab!“
Diese Aussage zielte wohl auf Annas vollständiges Erwachen hin. Ultia Empia forderte ihre Verwandlung!
Das Mädchen durchdachte alternative Strategien. Sollte sie gleich alles geben, oder möglicherweise abwarten und sich vorsichtig herantasten?
Ihre Überlegungen strapazierten die Geduld der Nekromantin. Um sie bei ihrer Entscheidung zu unterstützen, gab Ultia Empia einen Streich Magie frei, welcher den eisigen Grund erzittern ließ.
Arianna schwankte. Jäh stand die Hexe vor ihr. Leicht tippte sie mit ihrem Finger, dessen Nagel eine tiefschwarze Farbe dekorierte, auf Annas Stirn.
Die bloße Berührung genügte, katapultierte Arianna meterweit rückwärts. Ihre Füße schleiften über den Grund, wirbelten dabei Schnee auf. Womöglich kilometerweit, stieße ihr Körper nicht unmittelbar gegen einen massiven Steinblock. Schmerz jagte durch sämtliche Gliedmaßen.
„Du kannst länger die Schüchterne spielen. Sei dir allerdings gewiss, dass scharenweise Untote die Menschheit heimsuchen, und zwar überall auf dem Erdball!“, kicherte die Böse.
Sie pokerte.
„Lass mich raten“, stöhnte Arianna, „ich muss dich besiegen, um sie zu stoppen?“
Eher war die Frage rhetorischer Natur, im Prinzip kannte sie die Antwort.
Auch durch einen roten Schleier voller Pein erkannte Anna das boshafte Lächeln ihrer Gegnerin.
„Absolut richtig, Königstochter!“
Ihr blieb nichts erspart! Falls lebende Tote auf dem gesamten Globus verstreut umherwanderten, schafften die Kriegerinnen keineswegs, die Bedrohung vollständig einzudämmen. Neben den Menschen schwebte die gesamte magische Welt in Gefahr!
Durch ihre Gedankenkraft erschien Annas Tiara, mitsamt dem warm anfühlenden Padparadscha.
„Magia Eterna, mi raggiunge!“, flüsterte Arianna ihre magische Formel.
Das Gewand der Bauchtänzerin erschien, bedeckte sogleich ihren schlanken Körper.
Die Geschichte wiederholte ihr Wiegenlied. Gut gegen Böse, Licht und Schatten, Ying mit Yang, Weiß kontra Schwarz. Beide Frauen bildeten die entsprechenden Seiten vorbildlich ab.
Arianna beschwor ihre Sense, preschte voraus, zielte einen gnadenlosen Hieb auf das Haupt Ultia Empias. Entspannt wehrte sie die gefährliche Schneide ab, ausschließlich unter Verwendung ihres Zeigefingers.
Überrascht keuchte Anna.
Direkt wieder gefasst sprang sie zurück, um dann erneut vorwärtszujagen. Dieses Mal sprang sie und attackierte aus der Luft. Unbeeindruckt errichtete die Hexe einen Wall, ohne vorigen Zauberspruch. Sie blinzelte lediglich.
Die Sense prallte ab. Funken stoben in alle Richtungen.
Arianna landete, stieß fix von unten zu. Erfolglos.
Das war einfach unmöglich!
Unangekündigt riss Ultia Empia die Augen auf. Die unbeschwerte Geste genügte, Anna wiederholt zurückzuschleudern.
„Langweilig!“, murrte die Frau mit der Afro-Mähne. Provokant gähnte sie.
Bereits halb verzweifelt rief die Königstochter Donner und schickte Blitze.
Schnell bemerkte sie jedoch, dass die Hölle des Nermors ihre Magie unterdrückte.
Schwächliche Lichtstreifen zuckten, schlugen bei Ultia Empia ein. Einer traf sie direkt. Die Königin der Toten verzog keine Miene.
„Womöglich überschätzte ich dich!“, stichelte sie und kratzte sich am Hinterkopf.
Während sie wie das blühende Leben wirkte, hechelte Anna atemlos.
„Machen wir unser Geplänkel doch etwas spannender!“, schlug Ultia Empia vor und breitete die Arme aus. Kreise erschienen, schwirrten rund herum.
Die Magiezirkel ähnelten jenen Jessicas. Ultia Empia verbreitete sie überall.
Was zur Hölle sollte das?
Abschätzig runzelte Anna die Stirn. Bis sie eine zufriedenstellende Antwort erhielt, wollte sie keinesfalls warten, packte stattdessen die Sense und griff mit einem diagonalen Hieb an. Erneut stieß die Totenanführerin Anna fort.
Währenddessen vergrößerten sich die Zirkel. Schmierig verzog die Böse ihre Mundwinkel.
„Showtime!“
Der Himmel öffnete seine Pforten. Aus einem Reflex heraus blickte Jessica nach oben. Entsetzt starrte sie auf das gebotene Bild.
Arianna lag am Boden einer weiten Eislandschaft. Vor ihr, zur vollen Größe aufgebaut, verweilte eine mächtig aussehende Hexe.
Dies musste die Nekromantin sein! Also trat Anna ihr entgegen!
Besorgt schaute Jessi ihre Mädchen an, welche die Übertragung verfolgten.
Die Erd-Gruppe hatte eben einige Dollar in Kaffee To-Go investiert, gedachte anschließend, den notwendigen Schlachtplan zur Bekämpfung der Apokalypse auszuhecken. Noch berichteten keine Medien von einer Invasion.
Ohne einen Anführer, beispielsweise in Form von Rick, wanderten die Zombies recht planlos umher. Ein Quäntchen Zeit blieb ihnen.
Geplantes Brainstorming verlief im Sand, der gezeigte Endgegner-Kampf genoss Vorrang.
Triumphierte Arianna, versiegte möglicherweise der Nekromantin Magie und die Untoten starben ein zweites Mal.
„Warum zeigt uns dieses Miststück ihr Gefecht mit Anna?“, fragte Lara irritiert.
Lien schnaubte: „Weil sie irre ist!“
Kopfschüttelnd vermutete Hanna: „Ich denke, sie ist sich ihrer Macht und dem damit verbundenen Sieg extrem sicher!“
Nervös beobachtete Maris die vorbei schlendernde Menschen.
„Die Leute hier können dieses gigantische 4K Heimkino nicht sehen, oder?“ - „Dann wären sie schon längst stehen geblieben, um zu gaffen!“, schlussfolgerte Sonja.
Jessica unterband die Vermutungen: „Magische Handlungen dieser Art bleiben Normalsterblichen verborgen. Gerade stellen wir für sie merkwürdige Personen dar, welche den Himmel anstarren und dort oben Pilze suchen!“ - „Jessica, du besitzt doch noch den Raumschlüssel? Lass uns einen Platz suchen, wo wir ungestört die Kampfhandlung verfolgen können“, schlug Lien vor.
Minuten später saßen die Mädchen auf einem Berg aus Sand in der Sahara.
Augenpaare sämtlicher magischer Wesen stierten neugierig auf die ihnen offenbarte Momentaufnahme. Dank ihrer gewaltigen Magie hatte Ultia Empia einen Tunnel zwischen den einzelnen Welten geschaffen.
Bao umarmte die besorgte Shanti vor dem Haus ihrer Eltern. Sie hatte ihre Freundin als Erste entdeckt. Alle Waldelfen folgten ihrem Blick.
Sukzessive bemerkte die übrige Bevölkerung Pulse Magias jene Übertragung, genauso Schattenelfen, Lichtelfen, ehemalige Krieger der Königin von Licht und Magie sowie Puras Königsfamilie. Allesamt wohnten sie der Entscheidungsschlacht bei.
Untypisch für ihre Art reichten Nica und Horst einander stützend die Hände.
Währenddessen legte Maelle den Kopf auf Kais Schulter. Beide saßen auf der grünen Wiese vor Lichthallen. Yelina gesellte sich gemeinsam mit ihrem Vater dazu.
In diesem Moment hofften die Auserwählten weniger auf einen Triumph, eher ersehnten sie die Rückkehr ihrer Freundin. Ob Raumschlüssel oder nicht, interdimensionale Tore oder keine Tore, dies war ein Kampf, den die Königstochter gemäß ihrer Bestimmung allein austragen musste.
„Was hast du gemacht?“, fragte Arianna ihre lautstark grölende Gegnerin.
„Sagen wir, ich weiterte eben das Sichtfeld aus. Celestias gesamte Gefolgschaft wohnt nun deinem Scheitern bei! Vernichte ich dich, liegt mir das gesamte magiebeherrschte Reich unterwürfig zu Füßen!“
Großartig! Sie verantwortete das künftige Fortbestehen und Schicksal des Universums. Im Unterschied zu vorher begafften soeben Abermillionen Zuschauer ihr Kampfverhalten!
Seufzend schob sie die Gedanken beiseite. Wichtiger denn je, musste sie ihre Angriffe fokussieren. War sie der übermächtigen Ultia Empia überhaupt gewachsen? Erste Zweifel schlichen sich in Annas Kopf.
Abgelenkt durch ihre Gedanken verpasste sie, der nächsten Attacke auszuweichen. Die Hexe warf einen Ball aus schwarzer Magie, welcher Arianna unmittelbar traf. Daraus freigelassene Energie legte das Mädchen auf ihren Allerwertesten. Als Folge ließ sie ihre Sense fallen.
Ultia Empia nutzte die sich ergebende Gelegenheit und bannte einen mächtigen Fluch: „Dolore intollerabile!“
Von außen wirkte es, als ob eine Windböe Arianna erfasst hatte. Zirkulierende Fächer umhüllten ihren zarten Leib. Unliebsam entfaltete die Wucht der Verwünschung bald ihre verheerende Wirkung, nämlich das als solches empfundene Zerschmettern ihrer Knochen, Platzen der Adern und innerlichem Verbluten. Vor Schmerz schrie die Königstochter auf, litt abartige Höllenqualen, welche niemand seinem schlimmsten Feind wünschte.
Erst lange Sekunden später endete die Schmährede. Völlig ausgelaugt, sackte Anna zusammen, was Ultia Empia köstlich amüsierte.
Ihr nächster Bannspruch folgte auf dem Fuße.
„Marionetta!“
Das gebeutelte Mädchen verlor den Boden unter den Füßen. Analog einer Marionette hing sie in der Luft. Die Nekromantin steuerte das Puppenmädchen mittels Zeigefinger, schwang sie hin und her.
Aus der Spielerei wurde bitterer Ernst, die Böse schleuderte das zarte Geschöpft pausenlos zwischen die Felsen. Gewissermaßen spielte sie Pingpong. Unentwegt prallte Arianna gegen hartes Gestein, begleitet vom ohrenbetäubenden Gelächter Ultia Empias. Verzweifelt versuchte sich Anna zu wehren, indem sie während ihres Flugs Blitze heraufbeschwor, jedoch steckte die allmächtige Hexe sämtliche Stromstöße ohne Weiteres weg.
Trotzdem ließ sie von ihrem Opfer kurzfristig ab. Die Königstochter landete auf dem Eis, ihr gesamter Leib war übersät von Schürf- und Fleischwunden, das hübsche Gewand blutgetränkt.
Lediglich ein paar Meter lag ihre Sense entfernt. Mühselig krabbelte sie über den kühlen Grund. Gerade als sie die Waffe packte, bemerkte sie schlanke Beine vor ihrem Gesicht. 
Abermals die Arme ausbreitend, richtete die Königin der Toten Worte an die verschiedenen Reiche: „Seht eure strahlende Heldin, wie armselig sie am Boden liegt und sich krümmt! Euer höchstes Wesen, neben ihrer Großkotzigkeit Celestia kriecht vor mir, nicht mehr wert wie ein mickriger Wurm! Jetzt werdet ihr Zeuge meines universellen Triumphs!“
Boshaft bleckte die Nekromantin ihre Zähne.
„Ultimativa Cativa!“
Dunkelheit löschte jedes Licht. Eine Ansammlung schwulstiger bösartiger Magie verschluckte jeglichen Funken positiver Energie.
Ausgelaugt wie sie war, würde Arianna bevorstehender Aufwallung weder schaffen zu entkommen noch ihr ausweichen.
Die Ausuferung nahm weiter zu, staute sich ungehindert auf. An ihrer Schmerzgrenze angelangt, setzte Ultia Empia die gesammelte Kraft frei.
Daraus hervorgehende Impulsion überstieg jeden Horizont. Nebstdem traf sie Arianna direkt. Die Königstochter stand nicht wieder vom Boden auf.
Fassungslos starrten die Mädchen auf den Bildschirm, wohnten der gigantischen Explosion bei, einer Kuppel brachialer schwarzer Magie, die aufzog und anschließend zerbarst.
Arianna war die Stärkste unter ihnen. Ihr hatte das Wesen namens Ultia Empia nicht die leiseste Chance zugestanden. Was könnten die anderen schon ausrichten?
„Jessi“, stotterte Sonja, „Zombies treffen auf Menschen! Mein Spiegel zeigt mir erste Kontakte!“
Jessica hörte die Wächterin nicht. Ihr Blick haftete auf der regungslosen Anna.
Tränen füllten ihre Augen.
Das zarte Geschöpf hatte sich als eine Art kleine Schwester für die raubeinige Hexe entpuppt.
Neben Jessica kämpfte Li aufgebracht gegen wehrlose Sanddünen. Am liebsten wäre sie in den Ring gestiegen und hätte an Annas Seite gefochten!
Dermaßen fest krallte Nica ihre Fingernägel in Horsts Oberarm, sodass Blut hinunterlief. Der arme Kerl ächzte.
Yelina ertrug den Anblick ihrer verletzten Freundin nicht, versenkte den Kopf zwischen den Knien. Ähnlich erging es Miki, die das Haupt an Kais Halskuhle legte und schniefte.
Tatsächlich schien das absehbare Ende alles Guten greifbar nahe.
Im Weißen Palast wanderte Celestia auf und ab, wie ein Tier im Käfig.
Aller Hoffnung beraubt hielt sie die Hände vor das Sorgen belastete Gesicht, brabbelte unsinniges Zeug.
Bedienstete und Krieger beobachteten ihre Königin besorgt.
Letztlich genügte dem König die Vorstellung seiner Frau. Sanft und doch eindringlich nahm er sie in den Arm, hielt sie fest umschlungen. Celestia weinte an seiner Brust.
„Unsere Tochter verfügt nicht mehr über ihre vollständige Stärke! Eindeutig ist sie menschlicher geworden!“
Freunde, eine wunderbare Sache. Leben, Liebe, Freude, Glück. Dinge, nach denen sich die Sterblichen sehnten und die ihnen vergönnt waren. 
Jedoch nicht der Tochter der Königin! Sie existierte einzig, um zu sterben.
Jede Annehmlichkeit, die sie an das Leben als solches banden, war Gift für ihre unendliche Stärke.
In gewissem Sinne hatten ihre Freundinnen Annas gegenwärtiges Schicksal besiegelt. Und damit das Schicksal des magischen Universums.
Arianna, unfähig einer einzigen Rührung, überlegte, ob sie bereits jeher so schwach gewesen war.
Sie wusste es nicht. Die Erinnerungen kamen einfach nicht. Allzu gerne erlangte sie Gewissheit. Schwand ihre Magie in jedem Leben ein Stück, versagte sie ausschließlich in diesem, oder bestimmte das Schicksal die unbesiegbare Ultia Empia als neue Herrscherin über das magische Universum?
Anna war müde. So müde!
Wie sehr sehnte sie sich nach Schlaf, verlor die Lust am Kämpfen, erkannte keinen Sinn mehr darin.
In einem Moment erblickte sie die Königin der Toten langsam in ihre Richtung schreiten, vermutlich um ihr den Gnadenstoß zu erteilen, im nächsten schloss Arianna die Augen.
Der Tod kümmerte sie nicht.
Schließlich war sie bereits sechs Male zuvor gestorben.
Hatte er sie geholt, hatte sie Frieden gefunden. Dessen war sie sicher.
Diesen wünschte sie auch jetzt herbei.
Geräusche purzelnder Kiesel verrieten die Ankunft der siegenden Nekromantin.
Anna freute sich auf die Stille.
Bitte, lass es schnell gehen!
Aber vorher erklang noch ein letzter Laut in ihrem Ohr.
Jessica brüllte aus Leibeskräften. Den Anblick der geschlagenen Arianna ertrug sie nicht. Ihre Mädchen schauten die Hexe mitleidig an.
„Halte durch! Es ist keine Schande, hinzufallen! Hauptsache, du stehst wieder auf!“
Unbedeutend, ob Anna sie überhaupt hören konnte, schrie Jessi ihre Kehle heißer.
„Du bist erst besiegt, wenn du aufgibst!“
Maris packte sie an der Schulter.
„Hör auf damit! Das bringt doch nichts!“
Mittlerweile standen Zorntränen in Jessicas blauen Augen.
Sonja, Hanna und Lara hielten sich bedrückt im Hintergrund, Lien trat zwischen Maris und Jessi, schon beide beiseite.
Verwundert schauten die jungen Frauen ihre Kameradin an.
Lauthals krisch die Chinesin: „Anna, verflucht! Wir haben noch eine Revanche auszufechten! Wag es ja nicht, jetzt klein bei zu geben! Wenn dich jemand besiegt, dann bin ich das!“
Die anderen tauschten unsichere Blicke, Jessica dagegen fühlte tiefe Dankbarkeit.
Lara fasste sich ein Herz, ertastete Lis Hand und stimmte ein: „Überwinde den herben Rückschlag! Es ist erst vorbei, wenn du es erlaubst!“
Für manche mochte der Anblick drei in der Wüste krakeelender Weiber seltsam erscheinen, jedoch veränderte ihre Weigerung der Hinnahme unbestrittener Tatsachen das vorzeitige Ende der Geschichte.
Nica erfasste instinktiv die Aufwallung ihres verbündeten Elements.
Einem Bauchgefühl folgend, fing sie ebenfalls an, den himmlischen Bildschirm anzuschreien.
„Unterwerfe dich bloß nicht dieser verdammten Bitch! Trete dem Miststück gehörig in den vertrockneten Arsch!“
Anders als die Mädchen hinterfragte Horst Nicas Redeschwall nicht.
„Los, blondes, dünnes Mädchen, mach die schrumplige Kuh fertig!“, fügte er hinzu.
Nica lächelte, gemeinsam führten sie ihr Gebrüll fort.
Irgendwann unterstützten Hanna, Maris und Sonja auf Bergen aus Sand die Stimmen der Kriegerinnen.
Miteinander waren sie alle durch ein unsichtbares Band verknüpft, welches ebenso Maelle fühlte, trotz ihrer physischen Abwesenheit.
Der Thronerbin genügte das Herumsitzen und Zuschauen. Motiviert stand sie auf und feuerte Anna gleichermaßen an. Eine früher schüchterne Yelina hielt ihren Mund auch nicht mehr.
Zwischen den Mädchen entstand eine positive Gruppendynamik.
Dann geschah das Wunder.
„Anna!“
„Anna!“
„Arianna!“
„Mädchen!“
„Arianna!“
„Arianna!“
„Anna“
„Arianna!“
„Anna“
„Ich höre sie! Die Stimmen meiner Freundinnen! Sie rufen nach mir!“, dachte Anna im Geist.
Ihre Finger bewegten sich.
Gerne wäre sie liegen geblieben, wartend auf ihr Ende.
Das wäre wesentlich einfacher gewesen und kostete sie keinerlei Mühe mehr.
Doch fiel sie, gingen alle Welten unter und Jessica, Yelina, Shanti, Nica, Maris, Sonja, Hanna, Lara, sowie Lien erlebten eine schreckliche Zukunft.
Das konnte, nein, das wollte sie nicht verantworten!
Ultia Empia kickte Anna mit einem kräftigen Tritt wenige Meter fort.
„Leider war unser Treffen nicht so lustig, wie ich es mir vorstellte“, sagte sie süffisant, „vor mir liegt die Eroberung der Galaxie. Darum, stirb! Mori, per mano assassina!“
Dunkler Rauch entwich ihren geschwärzten Fingerspitzen, der sogenannte Hauch des Todes. Anna sah ihn näher kommen, nahm nebenbei die starken Gedanken ihrer Freundinnen wahr.
Eine Erinnerung erreichte Annas Bewusstsein. Verschwommen bemerkte sie in der Retrospektive eine Gestalt, welche mit einer tiefen und seltsam vertrauten Stimme sprach. Als die Verwünschung Arianna traf, das Leben aus ihrem Leib saugte, entsann sie seiner Worte.
„Lass los, was du von dir denkst, sein zu müssen. Lass los, was man dir erzählt hat, wer du bist und wie du zu sein hast. Du bist so viel mehr als das!“
Die kraftspendenden Weisheiten ihrer Freundinnen im Gepäck, dazu den Rat aus einer anderen Zeit beherzigend, warf Arianna ihre schwerwiegende Last ab.