Ultia Empia – Königin der Toten
„Das Böse ist des Menschen beste Kraft.“
Friedrich Nietzsche
Diese gottverdammten Gören hatten ihre Schwarzmagier besiegt!
Außerordentliche Erwartungen hatte sie auf die vier vielversprechenden Jungspunde gesetzt. Sydney, Jeajette, Johnny, alle drei waren wild, motiviert, hungrig und ehrgeizig. Als Feinde Eurer Königlichen Hoheit, Celestia, gierten sie nach Macht, Anerkennung, der Vernichtung des Guten.
Dem letzten verbliebenen Schwarzmagier erteilte sie eine wichtige Aufgabe, vielleicht sogar die wichtigste, nämlich Chaos und Entsetzen in Celestias geliebter Menschenwelt zu verbreiten. Erlangten die Sterblichen Kenntnis von Magie und dem Übernatürlichen, würde eine Massenpanik entstehen. Geheimdienste der Menschen würden den magischen Rat auskundschaften und hochnehmen. Jeder Mensch sähe in jedem eine Bedrohung, Misstrauen überwöge Vertrauen. Möglicherweise folgte eine gute alte Hexenjagd und -verbrennung, ähnlich Jahrhunderten zuvor. Bewohner dieses ekelhaft blühenden Planeten schlachteten sich ohnehin gegenseitig ab, ob für Macht, Geld, Anerkennung oder in diesem Falle aus Angst vor der Bedrohung durch die magischen Reiche. Was für ein Spaß!
Verkam die Erde, träfe das die wunderschöne, verfickte Celestia und ihren stattlichen, verschissenen Ehemann Koleos mitten ins Herz. Es wäre ein kleiner Trost für das Versagen ihrer drei Hoffnungsträger. Diese Narren!
Gewiss hatte sie die Stärke der Kriegerinnen unterschätzt. Diese kleine Scheißdrecks-Erdenhexe erledigte einen passablen Job, das musste sie ihr eingestehen. Außerdem stellte die Trägerin des Feuers ein Problem dar.
Ein gewaltiges Problem!
Faszinierend, welche Zerstörungswut ein Element entfesselte! Schade, dass das Feuer nicht ihre Seite wählte.
Daneben vermochte auch die Unbekannte gefährlich zu werden. Ihr Donner-Blitz-Gedöns glich der Magie Celestias. Wahrlich hatte sie Gerüchte über eine angebliche Königstochter läuten hören, bislang dem Gerede keine Beachtung geschenkt. Die Möglichkeit einer Tochter sollte sie künftig in Erwägung ziehen.
Ehe die frechen Weibsbilder weiterhin ihren aufdringlich guten Hokuspokus fabrizierten, versehentlich die Erde verteidigten und ihre letzte Schachfigur ausschalteten, musste sie zwingend handeln! Mit dem Untergang der Menschenwelt würden sich die Augen der Königin kurzzeitig abwenden. Zu dem Zeitpunkt ließe sie die Planeten des Tribunals unbeobachtet.
Wie sehnte sie ihn herbei! Endlich könnte sie das Blatt wenden und die magischen Reiche einnehmen!
Rick sollte sie besser nicht enttäuschen! Wehe ihm!
Schlussendlich erhob sie sich von ihrem Thron, erbaut aus den Gebeinen ihrer Opfer, schritt über die Asche der Vernichteten hinweg und setzte ihre pechschwarze Krone auf, in wessen Mitte ihr mächtiger Magiestein prangte – der pechschwarze Onyx. In Zukunft würde dieses Schmuckstück sie als Herrscherin des gesamten Universums legitimieren!
Sie!
Ultia Empia!
Kein magisches Volk hatte die Rasse der Nekromanten je willkommen geheißen. Elfen sowie Magier fürchteten die unberechenbaren Todbringer.
Vergleichsweise erschienen Ecliso Dämonen zartbesaitet.
Magie hatte zunächst die Königin erschaffen, im Laufe der Jahrhunderte sämtliche anderen Geschöpfe. Aus Paarungen zwischen Magiern und Menschen entstanden Zauberer mitsamt den Hexen. Abartig angehauchte Frauen empfingen Kinder von Ecliso Dämonen, heute bekannte Erdendämonen. Krieger der Königin verkehrten zumeist mit Menschen. Elfen blieben gewöhnlich unter ihresgleichen, bis auf wenige Ausnahmen. Ein Ausrutscher hatte den Zwillings-Priesterinnen das Leben geschenkt.
Schwarzmagier wurden nicht geboren, sondern erschaffen. Der Name betitelte einen gewöhnlichen Magier, welcher seine Kraft aus der Dunkelheit bezog, sie anschließend für Böses nutzte. Seit Magiegedenken hatten Königin und Wächter die Bedrohungen auf Ecliso verbannt. Anders zu den menschlichen Frauen hegten weiblichen Schwarzmagierinnen kein Interesse an Dämonen. Ihre dunkle Magie zog jene allerdings an. Ständig kam es zu Vergewaltigungen. Anatomisch kaum vorstellbar, betrachtete einer die unförmigen Kreaturen. Aufgrund der dämonischen Brutalität überlebte die Mehrheit den Missbrauch nicht. Deswegen existierten überwiegend männliche Schwarzmagier, kaum weibliche Exemplare.
Einige wenige der überlebenden Magierinnen hatten Nachwuchs geboren.
Die Nekromanten.
Den zahlreichen Todesfällen geschuldet, hatten im Laufe der Geschichte eine Handvoll existiert. Obwohl zahlenmäßig begrenzt, hatten sie keine gesellschaftliche Chance erhalten, zu groß war ihre Macht erschienen.
Nekromanten waren imstande, Tote sämtlicher Spezies zu erwecken und zu kontrollieren, die Leichname mussten lediglich ordentlich erhalten sein. Ein verschimmelter, zersetzter Leib nutzte nichts.
Außer der genannten Fähigkeit verfügte der Nekromant über das gesamte Repertoire schwarzer Magie, die Künste der Verwandlung, Verzauberung, kannte Flüche und stärkte seine Macht durch das Stehlen von Lebenskraft anderer Lebewesen.
Die Königin von Licht und Magie gewährte ihnen keinen Platz in der heilen, sanften Welt. Sie kackte sich in ihr adliges, glitzerndes Höschen.
Seinerzeit hatte eine regelrechte Hetzjagd begonnen, im Prinzip eine Abwandlung der Hexenverbrennung menschlicher Gefilde.
Schwierigkeiten, die Erwachsenen unter ihnen zu besiegen, hatten die Krieger der Königin Nekromanten im Kindesalter getötet.
Jahrzehntelang hatte ein erbitterter Überlebenskampf der wenigen, ständig auf der Flucht befindlichen Missgeburten getobt. Danach waren die Nekromanten ausnahmslos Bösewichte schauriger Geschichten geworden, welche Eltern ihren kleinen Elfenkindern vorlasen.
Celestia glaubte, die Nekromanten vollständig ausgelöscht zu haben.
Sie irrte. Eine hatte überlebte!
Nermor, das Pendant zur Hölle, betrat niemand. Nie! Zumindest nicht freiwillig.
Lehnten sich Dämonen oder Schwarzmagier auf, fügten sich selbst nach einer Niederlage gegen die Schattenelfen nicht, landeten sie dort. Die unsaubere Atemluft klirrte vor Kälte, komplett gegensätzlich zum restlichen Ecliso.
Überall türmten sich die Leichen, deren Verwesung massig Ungeziefer anlockte. Die Umgebung stank bestialisch.
Fehlende Nahrungsmittel verleiteten die hier Hausenden zum Kannibalismus.
Oft knabberten die Verbannten wie Hyänen an den verfaulten Toten.
Dort, an diesem grausamen Ort, hatte ihre schlaue Mutter Ultia untergebracht.
Sie hatte gewusst, kein Krieger der Königin und kein Elf wagte jemals einen Fuß hierherzusetzen. Ts, ihre Schuhe könnten ja schmutzig werden.
Den Sarkasmus außer Acht gelassen, hatte die alte Schwarzmagierin recht behalten!
Ihre Mutter hatte Ultia ungefähr bis zum Teenageralter aufgezogen. Eines Tages hatten Bestien die abgemagerte Frau abgeschlachtet, für einen Happen Fleisch. Ultia hatte zugesehen. Jedes andere Kind hätte wohl geweint, sie aber war vom Anblick der Gewalt fasziniert gewesen. Nach einem nicht sättigenden Mahl hatten die Monster ihr die Aufmerksamkeit geschenkt. An diesem schicksalhaften Tag hatte Ultia ihren Magiestein erhalten. Der Onyx war in die schwarze Seele des gereiften, bösartigen Kindes eingefallen. Ohne mit den Wimpern zu zucken, hatte es die Angreifer vernichtet und ihre Lebenskraft aufgesaugt. Berauscht, war das junge Mädchen mit blutroten Augen und kohlschwarzen Afro-Locken durch Nermor gewandert, hatte einen Dämon nach dem anderen abgemurkst, sich jeglicher Magie der Schwarzmagier bereichert und war zur Frau herangewachsen, welche nun den Namen Ultia Empia trug.
Arianna begrüßte den halb Mensch, halb Elf gewordenen Kater. Shanti präsentierte ihn im Haus ihrer Adoptiveltern voller Stolz, verhielt sich dabei leicht verliebt. Die frische Euphorie gönnte Anna ihrer lieben Freundin aus tiefem Herzen. Eine Zeit, nachdem sie die zurückliegende Schlacht gewonnen hatten, versorgten die Lichtelfen die offenen Wunden der Verletzten.
Aufrichtig gratulierten sie einander zum Sieg, reichten sich die Hände, plauderten und erweckten den Anschein von stetig währender Verbundenheit.
Nunmehr sollte die Feindschaft der unterschiedlichen Elfenrassen enden.
Hanna entschied, auf die Erde zurückzukehren, Shanti dagegen beschloss, eine Weile ihr Dorf zu unterstützen. Wehmütig begleiteten sie und Anna die Mexikanerin zum interdimensionalen Portal. Hirsche trugen sie auf ihrem Rücken, zumindest zwei von ihnen. Die Waldelfe ritt mit Bao. Faktisch konnte er erneut die Form eines muskulösen Panthers annehmen, allerdings aus eigenem Willen. Genauso verwandelte er sich zurück.
Angelangt, verabschiedete Hanna sich vorerst.
Die beiden anderen wendeten gerade, da hielt Anna ihr Reittier an. Urplötzlich spürte sie eine schreckliche Präsenz. Die faulige Ausstrahlung stammte definitiv nicht von einem Wesen hier auf Pulse Magia, trat überfallartig und ohne Vorwarnung ein. Wie eine Naturkatastrophe. Aber eine, die über das gesamte Universum fegte! Solch eine negative Strahlkraft hatte Anna zuvor nicht gefühlt. Gänsehaut bedeckte ihren gesamten Körper, alle noch so feinen Härchen standen.
„Bist du in Ordnung?“, wollte Shanti wissen.
Besorgnis stand auf ihrer Stirn.
Offenbar lag sie am Ausdruck ihrer Freundin begründet, nicht weil Shanti eine befremdliche Veränderung fühlte.
„Ich möchte etwas überprüfen“, erklärte Arianna, „reite du zu deiner Familie.“ - „Okay, sag Bescheid, falls du Unterstützung benötigst. Wir sehen uns später!“
Die Waldelfe gab Bao Anweisung.
Ob sie sich später wiedersahen, dessen war Anna nicht sicher.
Egal.
Ihre liebste Freundin wirkte aktuell sehr glücklich, daher wollte die Königstochter keine unnötige Besorgnis erregen.
Shanti lächelte und Anna winkte zum Abschied.
In Wahrheit spürte keiner der Krieger die unheimliche Präsenz, außer Arianna und ihre Mutter, Eure Majestät, die Königin von Licht und Magie.
Kaum trat die Nekromantin aus dem Schatten Nermors, brach Celestia zusammen. Ihr König, zudem einige Bedienstete des Weißen Palastes, eilten ihr helfend zur Seite. Koleos fing seine Frau auf.
„Liebling?“, hauchte er.
Sie lag in seinen Armen, ihre schönen, eisblauen Augen erschrocken geweitet.
„Etwas unfassbar Böses!“, hauchte sie beinahe unhörbar, „erschien!“
Das Universum erzitterte.
Ultia Empia sprengte die Mauern ihres selbst erschaffenen Gefängnisses.
Ihre Macht schwoll in Sphären an, welche Normalsterbliche, gewöhnliche Magier samt Elfen, begründet ihres geringen Horizonts nicht erfassten, Celestia jedoch schon.
Darum hatte sie mit ihrer magischen Kraft eine Dimension geschaffen, abgeschirmt von jeglichen anderen. Dort hatte die böse Hexe unbeobachtet Pläne schmieden und ihre Untergebenen rekrutieren können.
Vereinzelt waren Spuren ihrer Magie nach draußen gelangt, hatten Gerüchte unter Dämonen, Elfen, den Kriegern erzeugt und waren bis zur Königin vorgedrungen.
Ihr war es recht gewesen.
Sollten sie in Angst baden und nicht mehr aus der Badewanne aussteigen!
Ultia Empia spielte eine neue Karte. Sydney beschaffte netterweise wunderbare Leichname. Pura pflegte seine Toten. In den Gräbern bahrten sie ihre Verstorben auf. Ein magischer Schild schützte die Körper vor dem Zerfall. Purianer liebten ausschließlich schöne Dinge. Perfektes Material!
Wenn ihre Untertanen Celestia als Königin von Licht und Magie feierten, priesen ihre Anhänger Ultia Empia zur Königin der Toten. Die Marionetten aus dem Totenreich würden für ihre Herrscherin die Erde einnehmen.
Um den Plan voranzutreiben, sprach sie ihren verfluchten Bann: „Morti, risorgere dalle ceneri!“