Arianna – Königstochter

„Man sagt, dass das beste Feuer am hellsten leuchtet, wenn die Umstände am schlimmsten sind.“
Das wandelnde Schloss

Das Universum 

Jemand rief um Hilfe.
Im Unterschied zu etlichen anderen Schreien steckte dieser Ruf voller Verzweiflung und Hoffnung zugleich. Und eine Antwort darauf würde über Leben oder Tod entscheiden.
Das Universum verbreitete den Klang, stammend von der Welt der Menschen.
Er drang bis zur kleinsten, magischen Materie vor.
Auch sie hörte ihn.
Lange Zeit hatte sie geschlafen, ohne dass ihr erlaubt gewesen war, zu erwachen.
Augenblicklich rief das Schicksal nach ihr, die ihr auferlegte Bestimmung wartete. Wartete auf das Kind.

Manhattan, New York – Erde 

Das war unmöglich! Die Königin von Licht und Magie wohnte keinem Kampf persönlich bei. Ihre Krieger bestritten Kämpfe für sie. Immer war es so gewesen. Nichtsdestoweniger erweckte das Mädchen im kurzen weißen Kleidchen den Anschein, eine jüngere Version Eurer Majestät darzustellen.
Dergleichen verwundert, stierten vier Schwarzmagier die Fremde an.
Mit der Anweisung ihrer Königin im Hinterkopf überwanden die Feinde das über sie gekommene Erstaunen und bereiteten einen nächsten Angriff vor.
„Falce“, ertönte die glockenhelle Stimme der jungen Frau. Eine imposante Sense erschien in ihrer rechten Hand.
Nacheinander feuerten die Magier ihre bösartigen Machtkugeln ab. Derart schnell, dass Jessicas Augen nicht folgen konnten, hechtete die Unbekannte auf die Energiewellen zu und …
… durchsiebte sie mühelos!
Auf Anhöhe der Magier wirbelte sie ihr mörderisches Kriegswerkzeug im Kreis. Sydney überlegte nicht lange. Er sprang ebenfalls, beschwor sein Schwert und attackierte. Beide Waffen prallten aufeinander. Die entstandene Wucht riss beide Parteien auseinander. Während Sydney wankte, nutzte das Mädchen einen der seitlich aufgestellten Spiegel als Katapult, erreichte den Schwarzmagier in der Sekunde darauf und schnitt eine große Kerbe in seinen Leib. Die tiefe Wunde verletzte ihn, machte Sydney vorübergehend kampfunfähig, tötete den Schwarzmagier allerdings nicht. Jeajette machte Anstalten ihre Insektengestalt anzunehmen, das Mädchen gewährte der Magierin jedoch keine Chance. Ein Hieb der Sense katapultierte Jeajette himmelwärts. Als sie unsanft aufkam, war die junge Kriegerin schon weitergestürmt. Johnnys lähmendes Krähen beeindruckte sie in keinem Maße. Mit einem Schlag des unteren, stumpfen Endes der Sense in seine Magengrube streckte sie ihn nieder. Indessen sammelte Rick Energie, formte eine riesige Kugel. Zeitgleich, wie er den Machtball abschoss, hob das Mädchen die Hand.
„Fulmine lucido!“
Gleißend helle Lichtblitze zuckten, zerschmetterten die dunkle Macht, trafen Rick völlig unerwartet. Regungslos fiel er um. Wahnwitzige Geschwindigkeiten an den Tag legend, huschte die junge Frau durch die feindliche Monsterschar.
Dämonen und Insekten bildeten einen Kreis, versuchten, sie zu umzingeln.
Bewusst suchte sie deren Mitte.
„Temporale Scarico!“
Über dem Schlachtfeld zogen dunkle Wolken auf, ein Gewitter formte sich. Die Entladung folgte beizeiten, bevor einer der Feinde angreifen konnte.
Kein Entrinnen! Hunderte Blitze zerteilten jeden einzelnen Feind, merzten das Böse vollständig aus. Das Gute gewann Runde Nummer Zwei.
Sein letztes bisschen Bewusstsein verwendete Rick, einen Raumschlüssel hervorzubringen und ein Tor auf Anhöhe zu öffnen. Keine Zeit verlieren, verschluckte das Portal ihn, Sydney, Jeajette, nicht zuletzt Johnny. Zusammen mit Andy und Alejandro verschwand auch das Loch im Himmel.
Hatten sie wirklich gesiegt? Ungläubig begutachtete Jessica das Mädchen, welches auf sie zuschritt. Wiederholt bemerkte sie dessen unschuldige Schönheit, die langen blonden Haare, mitternachtsblaue Augen, lange Wimpern, ein sehnig schlanker Körper, definierte Muskeln. Darüberhinaus strahlte die hübsche junge Frau eine angenehme Ruhe aus. Unmittelbar vor Jessi verharrte sie, streckte ihr lächelnd eine Hand hin. Dankbar ergriff die Hexe diese. Die Fremde half ihr auf. Bei Berührung erfasste eine wohlige Wärme ihre Körpermitte.
Wer immer das Geschöpf war, es hatte die Kriegerinnen im Alleingang gerettet.
Als der Spiegelzauber brach, waren die Außerirdischen zu Asche zerfallen. Von den Schwarzmagiern fehlte jegliche Spur.
Passanten stoppten, musterten die Zusammengebrochenen mit einer Mischung aus Neugierde und Besorgnis. Bestimmt rief eine Person unter ihnen einen Rettungswagen.
Zunächst kümmerte sich Jessica um Yelina. Sobald die Lichtelfe ihre Besinnung wiedergefunden hatte, heilte sie die gröbsten Verletzungen ihrer verwundeten Mitstreiterinnen. Dabei verbrauchte Yelina ihre gesamte Magie, brach zum Schluss müde zusammen. Die ersten ohnmächtigen Menschen erwachten. Wegen des Triumphes über Johnny und sein Verschwinden hatte niemand sein Leben lassen müssen. Die fehlende Energie würden seine Opfer durch Ernährung und Schlaf regenerieren können. Wenigstens etwas.
Tatsächlich rückten wenige Minuten später Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste an. Erholt, dank Yelinas Zutun, entzogen sich die Mädchen der Einmischung menschlicher Gesetzeshüter. Zu Jessicas Bedauern landeten sie wieder in einer Gasse, versteckt vor den fragestellenden Behörden. Jessicas Handy summte. Kurz warf sie einen Blick darauf, seufzte dann erleichtert. Beim Schreiber der Textnachricht handelt es sich um ihren Chef. Der magische Rat hatte ihre Nachricht ernst genommen. Entsprechende Abteilungen würden ihre besten Leute schicken, die den Saustall aufräumten.
Indes die Mädchen abseits zwischen den hohen Gemäuern der Gebäude kauerten und sich vor den Menschen versteckten, bemerkten sie erstmals den Neuzugang.
„Jessi, was zu Falvers Erbarmen passierte eigentlich? Wo sind unsere Feinde abgeblieben?“, fragte Shanti.
Nica ergänzte: „Ja, aber vor allem, wer zur Hölle ist Blondie hier?“
Vor Erleichterung, dass das Gefecht glimpflich geendet war, sie überlebt hatten und das Glück besaßen, zusammen in der Gasse zu verweilen, musste Jessica lachen. Ihre angeknacksten Rippen pochten, jagten stichartige Schmerzen durch ihren Körper. Zudem atmete Jessi schwerfällig, ein Zeichen ihrer körperlichen Erschöpfung.
„Unsere Feinde. Restlos vernichtet“, keuchte sie abgehakt, „Schwarzmagier besiegt. Flohen durch ein Portal. Ricks Schlüssel.“ Unverständige Blicke.
Ob das an Jessicas unverständlichem Brabbeln lag, oder weil die Mädchen den Ausgang der zurückliegenden Schlacht noch nicht ganz fassten, war schwer zu sagen. Lien, die zu dem Zeitpunkt als Einzige bei Bewusstsein gewesen war, übernahm die Erläuterung.
„Die junge Dame hier“, sie zeigte auf die Fremde, „beendete den Kampf siegreich – im Namen von uns allen.“
Schweigen. Jeder gaffte, niemand wagte einen Mucks. Außerhalb der Seitenstraße schossen Ambulanzen vorbei.
Die Medien würden am Abend von einem unbekannten Virus berichten, welches reihenweise Immunsysteme lahmgelegt, aber niemanden getötet hatte. Der magische Rat ließ grüßen.
Empfundene Ewigkeiten nach Eintreten der Schweigeminute ergriff Shanti das Wort: „Vielen Dank!“
Nacheinander tauten daraufhin die übrigen Kriegerinnen auf.
„Danke schön!“, wisperte Yelina und lief rot an.
Lachend klopfte ihr Nica auf die Schulter. „Unsere Lichtelfe! Yo, Fremde! Wir Schattenelfen hätten’s nicht besser machen können!“ - „Bin ich froh!“, stöhnte Sonja, „wir leben noch! Hab Dank!“
Schweigend nickte die Fremde.
Die Hände zu Fäusten geballt, lobte Lien: „Großartige Leistung! Ich bewundere deine Stärke! Hey, wie hast du das gemacht? Gibst du mir Trainingstipps?“
Kein Lächeln rührte sich auf den zarten Lippen der Unbekannten.
Nüchtern schlug Hanna vor: „Wir sollten später anstoßen und uns zunächst aus dem Staub machen.“ - „Guter Plan!“, befürwortete Maelle.
„Bevor wir verduften, will ich aber eins wissen! Wer zum Geier bist du denn eigentlich? Verrätst du uns das?“, mischte sich Maris ein.
„Das ist dein gutes Recht, Priesterin“, pflichtete die Fremde bei, „ich heiße Arianna. Und ich bin die Tochter der Königin von Licht und Magie.“
König Koleos bemerkte die Abwesenheit seiner Frau.
Unzählige Balkone zierten die Fassade ihres Palastes. Er wusste, wo er seine Liebste fand. Eine der zahlreich verteilten Plattformen gewährte einzigartige Blicke auf die blaue Erde. Dies war Celestias Lieblingsort.
Dort entdeckte er seine Ehefrau am Geländer lehnend.
Geräuschlos trat er hinter sie, umarmte seine Königin zärtlich. Mit kalten Händen ergriff sie seinen Arm.
„Spürst du es ebenfalls, Liebster?“, murmelte sie.
Koleos wusste nicht, wovon sie sprach.
„Was meinst du, mein Herz?“
Celestia wandte sich um und hauchte: „Ich habe sie deutlich wahrgenommen! Unsere Tochter ist erwacht!“
Am Abend berichteten Medien von einem leichten Erdbeben, welches Manhattan ereilt und gebietsweise getobt hatte. Neuartige Grippeviren hatten das Zusammenbrechen mancher Passanten verantwortet. Zusammengefasst hatte das Beben geringe Straßen- und Mauerschäden verursacht sowie das Zerspringen von Glas an einigen Gebäuden. Manche Fahrzeuge waren zu Bruch gegangen. Da weder Schwerverletzte noch Tote aufgefunden worden waren, hielten sich Berichterstattungen in Grenzen. Bald würde Gras über die Sache wachsen und die magische Welt unerkannt davonkommen.
Als die Luft buchstäblich „rein“ erschien, huschten sämtliche Mädchen die Straße entlang. Ihnen blieb kaum Zeit, die erhaltenen Informationen über das Kind der höchsten Königin zu verdauen.
Auf den jeweiligen Zimmern im Hotel duschten sie, wuschen sich den Schmutz von den Leibern und wechselten ihre Kleidung. Anschließend versammelten sie sich im hoteleigenen Restaurant. Ihre erste Mahlzeit seit dem gestrigen Tage. Ausgehungert stürmten zehn Frauen das aufgebaute Buffet. Das Mädchen namens Arianna verharrte stocksteif am Tisch.
Mit üppig gehäuften Tellern gesellten die Kriegerinnen sich nacheinander hinzu. Jessica stellte eine reichlich gefüllte Platte vor der Königstochter ab.
„Offenbar bist du schüchtern und traust dich nicht, zugreifen“, bemerkte die Hexe.
Schweigsam starrte Arianna die Makkaroni mit Käse, den Caesar Salad sowie den fetten Brownie an.
„Nahrungsaufnahme erfolgt in meinem Fall optional“, erklärte sie, mehr an den Teller gerichtet, als an ihre Tischgenossinnen.
„Echt?“, hüstelte Nica, die sich vor Entsetzen an einem Stück Beef verschluckte, „du brauchst also kein Essen? Wie krass! Aber ob notwendig oder nicht, hast du dir die leckeren Lebensmittel angeschaut? Kein Vergleich zu dem Dreck auf Ecliso, sage ich dir. Eine Verschwendung, wenn du nicht beherzt zugreifst!“ - „Nicht einmal vergleichbar mit Puras Köstlichkeiten!“, schwärmte Maelle und unterstützte die Schattenelfen, „hier ist alles so unglaublich genießbar!“
Jessica motzte: „Ja, das liegt am hohen Fettgehalt. Genau deshalb sollt ihr das Zeug nicht in euch reinschaufeln!“
Vergnügt schmatzten ihre Mädchen. Die Beanstandung ihrer Anführerin prallte an jedweden Persönchen ab. Seufzend wurde Jessi sachlich.
„Was meintest du eigentlich genau mit ‚Option‘? Jedes Lebewesen muss doch Nahrung aufnehmen.“
Unsicher, was sie mit der riesigen Portion vor sich anstellen sollte, stocherte Arianna in ihrem Teller herum.
Nebensächlich erwähnte sie: „Ich lebe meistens nicht lange genug, damit das Einnehmen von Körper stärkender Nahrung erforderlich ist.“
Unmittelbar verflog die Heiterkeit am Tisch, ihr letzter Satz verursachte peinliche Stille.
„Für die Dummen unter uns, welche keine Ahnung von Magie haben. Was zum Henker quatschst du da?“, unterbrach Lien das Schweigen.
Nüchtern führte Arianna aus: „Meine Mutter, die Königin von Licht und Magie, kämpfte vor Jahrhunderten an der Seite ihrer Krieger gegen das aufkeimende Böse. Als sie in einer Schlacht schwer verletzt wurde, lange bevor sie ihren König kennenlernte, die unterschiedlichen Rassen sprossen oder die magischen Planeten existierten, ereilte sie eine existenzielle Furcht. Ihr Ableben bedingt das Aussterben allgegenwärtiger Magie. Dennoch ertrug sie es nicht, den Kriegern bei deren Gefechten zuzusehen. Magie ist etwas Ungreifbares, Unfassbares, Eigenständiges. Ihr Wunsch mitzuwirken, ohne physisch beteiligt zu sein, wurde durch mich Wirklichkeit. Sobald eine große böse Macht erschien, welche das Gute auszulöschen drohte, gebar meine Mutter ein Kind. Mich.“
Selbst die hungrigsten Mädchen – Nica und Maelle – hörten auf zu kauen. Gebannt lauschten die Kriegerinnen ihrer neuen Kameradin. Menschen zogen an ihrem Tisch vorbei. Sowohl die hektische Betriebsamkeit der Gäste und Bediensteten, als auch deren Lautstärke belastete das Grüppchen nicht.
Einzig Ariannas Geschichte zählte in dem Moment.
„In wenigen Stunden entwickelte ich mich vom Säugling zur Erwachsenen“, berichtete Arianna ferner, „und bestritt den Kampf im Namen Eurer Majestät. Da die kosmische Waage zwischen Gut und Böse naturgemäß im Gleichgewicht bleiben muss, starb ich im Anschluss eines jedes gewonnenen Krieges.“
Aufstöhnen. Untereinander tauschten die jungen Frauen Blicke. Jessica schluckte einen Kloß.
„Dieser Kreislauf wiederholte sich in 524 Jahren sechsmal. Nach jeder Geburt entsinne ich mich meiner Aufgabe, erinnere mich jedoch nie an mein vorheriges Leben.“
Unauffällige Tränen kullerten Yelinas Wange hinab. Endlich schaute Arianna von ihrem Teller auf, ihr Finger deutete Richtung Jessica.
„Dein Hilfeschrei, Hexe, löste meinen siebten Geburtstag aus.“
Den Mädchen verging das reichliche Mahl. Lara stellte die Frage, welche auch alle anderen beschäftigte: „Das heißt, du existierst lediglich, um zu sterben?“ - „Richtig, dies ist meine Bestimmung“, bestätigte Arianna recht neutral.
„Ach, das ist doch gequirlte Kacke!“, schimpfte Nica, schlug die flache Hand auf den Tisch. Ihre Geste enthielt dermaßen Kraft, Gläser, Besteck und Teller klirrten. Beim Essen gestört wirkende Menschen drehten sich zur Gruppe um.
„Schwester!“, mahnte Zwilling Shanti zur Vorsicht.
„Was?“, verteidigte die Schattenelfe ihren Ausbruch, „ist doch so!“
Genervt vom Kopfschütteln der Sterblichen verdrehte Nica die Augen.
„Falls ich falsch liege, Königstochter, korrigiere mich“, fuhr sie fort, „du lerntest dann nie Freude kennen? Weder hast du eine Kindheit genossen – gut, die erlebte ich auch nicht – noch erfuhrst du die Höhen und Tiefen des Lebens mit den dazugehörigen Gefühlen?“ - „Ich bedaure die Königin, aufgrund des fortlaufenden Verlustes ihrer Tochter. Grausam!“, warf Hanna ein.
„Ich denke nicht, dass meine Königinmutter eine Verbindung zu mir aufbaute, wie normale Mütter gegenüber ihren Kindern“, korrigierte Arianna.
Wieder recht nüchtern. Junge, ein Stein besaß mehr Gefühl!
„Was habt ihr nun vor, Prinzessin?“, fragte Yelina förmlich.
„Die Magie sendete mich auf die Erde“, beantwortete Arianna die Frage, „ohne Umweg durch Lume. Dieses Mal brachte meine Mutter mich nicht zur Welt. Ich erwachte erwachsen. Den Wink des Schicksals ignoriere ich nicht. Demnach möchte ich mich gerne eurer Gruppe anschließen, falls euch das genehm ist?“
Keines der Mädchen gab einen Laut von sich, alle warteten auf die Reaktion der Anführerin. Unbekümmert widmete sich Jessica ihren Zimtschnecken, biss ein Stück ab, kaute, tat nachdenklich und bestimmte nach dem Herunterschlucken: „Sicher. Willkommen im Irrenhaus!“
Allseitiger Jubel seitens ihrer Schützlinge. Verwirrt schaute Arianna drein. Derartige Gefühlsausbrüche kannte sie nicht.
Jessi wies an: „Du teilst dir ein Zimmer mit Shanti. Bao soll entweder auf dem Boden oder ihrem Kopfkissen schlafen. Ein eigenes Bett benötigt das Fellknäuel nicht. Ich hoffe, du hast nichts gegen Katzen?“
Arianna wirkte, als ob sie nie von seltsamem Lebewesen namens „Katzen“ gehört hätte.
Da kein Einwand kam, fuhr Jessica in ihrem gewohnten Befehlston fort: „Und jetzt iss! Ich kann es nicht leiden, wenn Essen verschwendet wird!“
Freudig erregt, hüpfte Shanti auf ihrem Platz. „Ich muss dir unbedingt meinen Kater vorstellen! Bao sieht aus wie ein schwarzer Panther und …“ – „… Ich will mit dir kämpfen!“, unterbrach Lien und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Liebe Güte, lasst die Ärmste erst mal ankommen, ehe ihr sie belagert!“, bat Lara.
„Bitte!“, forderte Arianna, „nennt mich weder Prinzessin noch Königstochter!“ - „Also, Anna“, plapperte Maris dazwischen, „probier die frittierten Fischstäbchen! Die sind der Oberhammer!“
Gelächter erheiterte die Stimmung und entlockte der Königstochter ein erstes zaghaftes Lächeln.
Chuck erlitt einen Herzanfall beim Anblick des höchsten Guten. Der wievielte Infarkt war das jetzt genau? „PRINZESSIN!“, krähte er, „es ist mir eine Ehre!“
Später in deren Zimmer nahm sich Jessica Chuck zur Brust.
„Du weißt, wer und was sie ist? Wofür bist du hier? Als Dekoration? Kannst du mir nicht erzählen, dass ein solches Wesen existiert?“
Räuspernd rechtfertigte Chuck: „Immer langsam! Ich wusste nicht, dass die Königstochter vom Universum gerufen wird!“
Amüsiert hob Jessica eine Augenbraue. „Es gibt etwas, das du nicht weißt?“, hinterfragte sie mit einem Hauch Ironie.
Den Unterton ignorierend, ergänzte The No Duck: „Das letzte Mal verendete sie auf außergewöhnliche Weise. Als die Nekromantin erstmals auftauchte, genauer gesagt ihre Existenz Bekanntheit erlangte, sollte Arianna längst erscheinen. Die Königin wurde aber nicht schwanger, vermutlich liegt das in ihrem letzten Ableben begründet. Signalisieren zumindest weitreichende Gerüchte. König und Königin sprechen darüber kein Wort. Es bleibt ein Mysterium. Die Priesterinnen und Elementkriegerinnen waren zuweilen unsere einzige Hoffnung.“ - „Wer hält Kenntnis noch über die Königstochter?“, interessierte Jessica.
Nachgrübelnd kratzte sich Chuck das Kinn (er kratzte sich das Kinn!).
„Ausnahmslos die höchsten Kreise der Elfenfamilien, plus die Krieger der Königin.“ - „Die Wächter nicht?“, ging Jessi sicher.
Chuck legte den Kopf schief, daraufhin verneinte er.
„Um Arianna machte das Königspaar jeher ein großes Geheimnis.“- „Das erklärt, warum Sonja und Rick überrascht wirkten“, brabbelte die Hexe vor sich hin, lief derweil quer durch das Zimmer. Vor dem Fenster blieb Jessica stehen und spähte hinaus. Draußen schien der Mond besonders hell.
Wahrlich symbolisierte Arianna eine mächtige Verbündete mit einem traurigen Schicksal. Im Prinzip entsprach sie einem weiteren jungen Ding, dem das magische Universum eine ungerechte Last aufbürdete.
„Arianna, Königstochter“, hauchte Jessi, „ich bin gespannt, wie du unsere Geschichte verändern wirst.“