Bei der unten aufgeführten Kurzgeschichte handelt es sich um eine Fanfiction. "League of Legends" und alles damit verbundene, beispielsweise die genannten Charaktere, zählen zum geistigen Eigentum von Riot Games, Inc. Als Gamerin, Liebhaberin des Spiels, der Welt sowie der Lore, gestaltete ich diese Fanfiction, welche meiner Bewunderung für das MOBA Ausdruck verleihen soll. Die Fanfiction dient lediglich Unterhaltungszwecken. Sie bildet keinen Zusammenhang zu den Handlungen, sondern basiert auf der Cinematik (Awaken) aus dem Jahr 2019. 

 


Zwei Äxte und ein Schwert


 

Noxus

Er war gelangweilt! Scheiße, die Langeweile nervte ihn. Dies wiederum bedeutete, heute starb noch jemand. Wer, erschien ihm gleichgültig. Der Tod eines bisher nicht feststehenden Unbekannten diente lediglich seiner Erheiterung.
Mit einem tonlosen Seufzer ließ Draven seine neuste Errungenschaft um seinen Zeigefinger kreisen. Kunai, so meinte er, hieß das kleine Allzweckgerät. Sein voriger Besitzer hatte es als Wurfmesser benutzt. Wahnsinn musste ihn überkommen haben. Anders vermochten sich die Zuschauer nicht zu erklären, warum der wildgewordene Möchtegern-Ninja im Angesicht seines sicheren Untergangs derart arrogant aufgetreten war. Pff, als ob schon jemals einer dieser Großmäuler nur den Hauch einer Chance gehabt hätten, gegen den glorreichen Scharfrichter zu bestehen! Gegen den verdammten König der Großmäuler!
In Dravens Augen bestand die Welt aus Schwächlingen. Vermutlich, weil Universum oder Schicksal – oder die Gene seiner Eltern – ihn mit einer natürlichen, außergewöhnlichen Kampfkraft gesegnet hatten. Gut, ihn sowie seinen ebenfalls leicht begnadeten, allerdings nicht ganz so tollen, halbwegs tragbaren Bruder. Und ja, er nannte sich zuerst! Zu jeder Zeit kam Draven an erster Stelle! Abgesehen von der Geburtsrangfolge. Unglücklicherweise gebar seine Mutter den minder talentierten Bruder vor dem Hochbegabten. In dem Fall stimmte die Anekdote: „Das Beste kommt zum Schluss“.
Im Gegensatz zu seiner herausragenden Gestalt hatte der Ältere, Darius, sich immerzu abplagen müssen. Bei allem. Heute verkörperte der Armeeführer das Bildnis aus Disziplin, Ehrgeiz, Willen, Gehorsamkeit und Soldatenstolz. Berechtigt trug er den Titel „Die Hand von Noxus“.
Öde! Lahm! Schrecklich! Nicht ansatzweise mochte Draven sich vorstellen, wie anstrengend seines Bruders Dasein war. Sich durchgehend gesittet zu verhalten, eine Vorstellung, welche ihn erschaudern ließ. Viel lieber frönte er seinem Genuss. Ob er seinen Durst in Alkohol ertränkte, seinen Hunger bei Gelagen stillte, sich seine Befriedigung bei den sich ihm zahlreich an den Hals werfenden Weibern verschaffte, oder sich seine Langeweile im Beseitigen von Noxus’ Gefangenen vertrieb, wenigstens bestimmte er die Art seiner Lebensgestaltung selbst. Zudem die Art und Weise, seinen mehr als üppigen Lebensunterhalt zu verdienen.
Draven, der glorreiche Scharfrichter. In der Kampfarena der gefeierte Gladiatorenschlächter, für die Menge ein Gott.
Zugegeben, aktuell ein wahrlich gelangweilter Gott.
Die letzte Gefangennahme offerierte wenig fähige Krieger, wie er fand. Jeder Gefangene, der halbwegs zum Gladiator taugte, erhielt die Möglichkeit, seine Freiheit in einer Reihe blutiger Wettstreite zu erringen. Darunter zählten Mann-gegen-Mann-Kämpfe, genauso wie der beliebte Battle Royal. Einer Alle-gegen-Alle-Schlacht wohnte er gerade bei. Bisher standen die meisten Teilnehmer noch aufrecht. Die meisten. Sekündlich war einer zu Boden gegangen, sein Schlächter rechte den Arm in die Höhe. Marginale Jubelschreie vonseiten des Publikums folgten. Vermutlich ödete die Darbietung die Menge genauso an, wie sie Draven anödete. Und seinen Boss, General Swain. Der stets mies gelaunte, die Mundwinkel nach unten ziehende, griesgrämige Oberbefehlshaber – jedenfalls einer von dreien – betete seinen elegant gekleideten Arsch auf dem pompösen Pult auf der anderen Seite der Arena, damit ihm gegenüber. Daneben erkannte er seinen Bruder. Wow, dass der sich die Mühe machte, die niederen Lebewesen mit seiner Gegenwart zu beglücken? Welch seltene Ehre! Wenn die beschissene Show in der Tour weiterlief, wäre Darius umsonst erschienen. Und Draven würde ihm nicht beweisen können, der deutlich attraktivere, begabtere, begnadetere Hengst zu sein.
Wiederholt seufzend, das Wurfmesser um den Finger rotierend, wandte er die Augen ab. Das Elend zu ertragen, fiel ihm ungemein schwer. Bald würde es sich für den Gladiator-Vergelter an der Zeit erweisen, seiner liebsten Tätigkeit nachzugehen und Vollstreckungen an den übrig bleibenden Möchtegerns zu vollziehen. Im Vorfeld hatte der Veranstalter ihn gebeten, nicht zu früh einzuschreiten. Die Menge sollte ausreichend lange dem Spektakel zuschauen. Nur dann rollte der Rubel, wenn die Mehrheit dieses Packs bei der nächsten Gelegenheit wiederkam.
Wobei, über welches „Spektakel“ sinnierte er eigentlich? Eher glich die Kacke hier dem Aufstieg des Fallobstes!
Unvorhergesehen vernahm er das Knarzen des großen Eintrittstores. Das Herunterfahren der Holzvorrichtung verkündete das Eintreffen eines weiteren Gefangenen. 
Ah! Konnte es sein?
Mit einem Mal hellwach geworden, beobachtete Draven gespannt das Hochfahren der Pforte. Auf einen Gast freute er sich, war ihm im Vorfeld doch einiges über ihn zu Ohren gekommen.
Korrektur, über sie …

Hinter Dravens Sitzplatz – eher vergleichbar mit einem Thron – stützte eine Vorrichtung an der Wand ein massives Schwert. Ihm nicht geläufige Magie hielt dessen in Puzzlestücke gespaltene Bestandteile zusammen. In seinen Augen ein nutzloses Stück. Welchem Zweck diente eine gebrochene Klinge? Obwohl er keine Verwendung für das Ding besaß, hatte er es aus einer Laune heraus gekauft. Die Tragödie über eine gefallene Heldin hatte ihn dazu verleitet.
Laut einer Aussage des Prozessbevollmächtigten, der für die Rekrutierung der Gefangenen und somit für die Bereitstellung der Gladiatoren zuständig war, hatte eine Soldatin während des Krieges zwischen Noxus und Ionia die Seiten gewechselt. Der Aspekt für sich war seine Aufmerksamkeit nicht wert gewesen. Ergänzende Informationen, gewonnen aus verschiedenen Quellen, hatten seine Meinung geändert. Angeblich, sofern er den Gerüchten Glauben schenken konnte, verfügte sie über dasselbe Format wie sein Bruder Darius. Übersetzt bedeutete dies, sie verstand es, zu kämpfen. Und Draven liebte einen guten Kampf! Von Fallobst in der Arena hatte er die Schnauze gestrichen voll! Entsprechend setzte er seine Hoffnung für einen genügsamen Ausgang des Kampftages auf die in Ungnade gefallene Soldatin.
Der Eingang stand offen, vier Wachleute mit der Statur von Ochsen eskortierten eine zierliche Blondine zur Mitte des großen Kampfplatzes. Die Zuschauer verstummten. Entweder verwunderte der Anblick einer Frau in der vor Testosteron triefenden Männerdomäne die Masse oder die Präsenz eines weiblichen Gladiators widerte sie an. In jedem Fall wirkte der Umstand, dass vier Muskelprotze nötig erschienen, sie zu geleiten, ihre Fußkette in der Platzmitte an einem Pfosten zu befestigen, verstörend.
Nachdem die Fessel angebracht war, verschwanden die Ochsen. Die umstehenden Kämpfer fixierten den Neuankömmling wie Raubtiere ihre Beute.
Blieb die Frage offen, wer dem größten Raubtier glich.
Im Laufe der Jahre und mit steigender Lebenserfahrung hatte Darius gelernt, seine Gefühle nicht öffentlich zur Schau zu stellen, sich sozusagen nicht in die Karten schauen zu lassen. Den Rat hierzu hatte er seinem Bruder erteilt. Als wäre einer von beiden adoptiert, verhielt sich Draven vollkommen konträr. Oder einfach wie es ihm passte. Augenblicklich machte er keinen Hehl aus seinem wachsenden Interesse. Braune Augen, solche, die jedes Reh vor Neid erblassen ließen, blickten von unten zu ihm herauf. Trotzig, Herausfordernd. Vielversprechend. Und Draven tat etwas für ihn unübliches: Er lehnte sich auf seinem Thron nach vorn, reckte überdies das Kinn. Ein deutliches Zeichen seiner Neugierde. 
Das Erste, was er zur Kenntnis nahm, sie war heiß. Ziemlich heiß.
Scheiße, dachte er. Wäre sie keine Gefangene, keine in Missgunst geratene Heldin, hätte er sie sich in sein Bett geholt!
Scheiße, hoch zwei. Sie vertrat eine differenzierte Ansicht. Denn anstatt sich die Lippen nach ihm zu lecken – andere Weibstücke hätten sich in seiner Gegenwart verzehrt – lenkte sie ihre Geistesgegenwart auf den ihr am nächsten stehenden Gegner und stürmte los. Zugegeben, sie befand sich in der Position des Freiwilds. Die hiesigen Gladiatoren lechzten nach ihrem Blut. Demzufolge blieb ihr keine Wahl, der Präventivschlag bot ihr eine Gelegenheit.
Trotzdem, niemand wagte es, Draven zu ignorieren! Abgesehen von der blonden Schönheit, deren fein austrainierte Muskeln im Sonnenlicht unter ihrer blassen Haut spielten. Diese wusste sie einzusetzen!

Fürwahr, die Erzählungen über ihn stimmten. Nein, nicht ganz. Das ihm nachgesagte war untertrieben!
Als sie in ihrer Zelle auf ihren großen Auftritt, oder vielmehr ihren Gang zum Schafott, gewartet hatte, war ihr das Gewinsel von einigen der anderen Gefangenen aufgefallen. Innerhalb der Sklaven, Gladiatoren, Verurteilten – wie man sie auch betiteln mochte – hatten sich zwei Gruppen herausgebildet. Die einen strotzen vor Selbstbewusstsein. Hochmut trieb ihren Hunger nach Freiheit an. Sie hatten es kaum erwarten können, endlich zur Schlachtbank geführt zu werden. Der kleinere Teil, dessen Klagelaute die Kampfschreie der Mehrheit übertünchte, nässte sich aus Angst fast ein. Unter ihnen befanden sich Schwerverbrecher, Gewalttäter, rückfällige Kriminelle sowie Schurken, welchen kein anständiger Mensch bei Nacht begegnen wollte. Trotz ihrer Vergangenheit verspürten sie beim bloßen Klang eines gewissen Namens eine Heidenangst.
Draven.
Nachdem die Männer abberufen worden waren und sie allein hatte ausharren müssen in völliger Stille, hatte sie überlegt, ob ihr der Name bereits vor ihrer Gefangennahme, besser gesagt, ehe sie sich freiwillig gestellt hatte, geläufig gewesen war. Draven, der glorreiche Scharfrichter, wie ein Wachmann von der Statur eines ausgewachsenen Bullen ihn betitelt hatte. Angeblich, sofern sie dem Geschwätz vertraute, der Stärkste unter den sogenannten Gladiator-Vergeltern, einer Gruppe bluthungriger Vollidioten, die es darauf absahen, Vollstreckungen an Gefangenen durchzuführen.
Später war sie zu dem Schluss gelangt, ihn nicht zu kennen. Möglicherweise hatte sie zu lange im Exil gelebt? Eine ihrer Eigenschaften bestand darin, Geschwätz zu ignorieren. Ob ihr Henker wirklich einem Teufel in Menschengestalt entsprach, ergab sich bald automatisch. Ehe sie ihn nicht bekämpfte, würde sie nicht über seine nachgesagte Brutalität grübeln. Dennoch, ein Funke Neugierde brannte in ihr. Obwohl es ihr fern lag, dem Richter, der heute ihren Tod bedeuten sollte, überhaupt die Spur einer Emotion entgegenzubringen, sah sie sich veranlasst, einen Blick auf ihn zu werfen. Vier Bullen hatten sie zur Mitte des Kampfplatzes bugsiert, damit sie nicht in Versuchung geriet, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Die Kerle hatten ihre Fußfessel an einer Säule in der Mitte befestigt, dadurch ihren Bewegungsradius auf ein Minimum reduziert. Rings um sie herum befanden sich Tribünen. Rechts und links fanden Zuschauer ihre Plätze. Wohl aufgrund ihres Geschlechts waren die sensationsgeilen, ein Gemetzel herbeisehnenden Pseudo-Adligen verstummt. Eine Frau auf dem Schlachtfeld hatten sie nicht vermutet. Nicht überrascht, dafür blutrünstig blickten die bis eben kämpfenden Gladiatoren das aus der Herrenmasse herausstechende Weibsbild an. Nur wenige Sekunden würde es dauern, bis einer dieser Jäger auf das vermutet schwächere Freiwild stützte.
Ungeachtet der Schaulustigen und der drohenden Gefahr wenige Meter entfernt, hob Riven ihr Gesicht und richtete die Augen geradeaus nach oben. Dort auf einem Thron saß also ihr Verderben? Im Bruchteil einer Sekunde schätzte sie ihn ein. Ihr Urteil: Er war weit gefährlicher, als diese ahnungslosen Trottel es ihm nachsagten!

Wäre Riven eine gewöhnliche Frau, hätte Gänsehaut ihren Körper bedeckt. Gänsehaut, ausgelöst durch den Anblick dieses einen Raubtiers. Neugierig wie eine Katze lehnte es sich auf seinem Sitz nach vorn. Grüne Augen nahmen sie ins Visier.
Oh ja, wäre sie normal, hätte ihr Körper eine eindeutige Reaktion auf ihn gezeigt. Doch sie war nicht normal. Zur Soldatin ausgebildet, hatte sie innerhalb eines Jahre andauernden Prozesses gelernt, ihre Instinkte nicht zu offenbaren. Auch wenn sie insgeheim den Kampf herbeisehnte. Vor dem Richter musste sie die Fliegen loswerden, welche sie umkreisten. Ihr Geist vernahm die Regung einer dieser Ameisen. Sofort verlagerte Riven ihre Aufmerksamkeit und wechselte in Kampfmodus. Bevor der Typ sich auf sie stürzen konnte, stürzte sie sich auf ihn!
Na ja, nicht ganz. Um es auf den Punkt zu bringen, fing sie ihn in seinem Vorwärtssturm ab. Zack! Sie nutzte seinen Drall und schleuderte ihn, Kopf voran, gegen den sich hinter ihr befindlichen Pfosten. Seinen Schädel zerschmetterte sie am Holz. Bewusstlos sackte er auf den Boden. Von der Situation angestachelt, starteten die übrigen Gestalten ihre Angriffe. Gleichzeitig.
Riven verfügte über genügend Kampferfahrung. In Windeseile hatte sie sich einen Überblick verschafft. Gewiss mochte ihr letzter Tag im Diesseits angebrochen sein, dennoch würde sie nicht kampflos aufgeben. Nach wie vor steckte eine Soldatin in ihr. Außerdem, soweit sie die Regeln richtig verstanden hatte, erhielt sie am Ende, sofern sie als Herausforderin übrig blieb, die Gelegenheit, diesen über ihr thronende Monster zu bekämpfen. Auf dieses Arschloch freute sie sich!
Bis dahin ahnte sie die Angriffsserien des Gewürmes voraus und reagierte.
Ein zweiter Mann ging zu Boden. Dem dritten raubte sie den Speer, setzte ihn mit einer Drehung und einem gezielten Schlag außer Gefecht. Anstatt seine Waffe als ihre zu verwenden, ließ Riven sie fallen. Nicht, dass sie nicht mit Stabwaffen hätte umgehen können. Genau dies wollte sie ihrem späteren Henker allerdings nicht verraten. Er musste nicht sofort erfahren, über welche Kampffertigkeiten und über welches Arsenal an Waffenerfahrung sie verfügte.
Zack, der nächste Koloss fiel. Leichtfüssig entwand sie sich weiteren Angriffen. Nicht ansatzweise erreichten diese Kämpfer Rivens Niveau. Gefangen in einem Rausch aus starrer Konzentration und Gewalt entging ihr, wie der Scharfrichter sich noch weiter vorgebeugt hatte, seine Miene war düsterer geworden. Wie ein Hai den Fisch verfolgte er ihre Gewandtheit. Gedanklich wog er ihrer beider Stärke ab.
Erneut entwand sie einem Gegner den Speer, duckte sich fast gleichzeitig unter einem anfliegenden Exemplar durch, wich somit dem gezielten Angriff aus. Unterschwellig stellte sie fest, der Werfer war der letzte verbleibende Gladiator im Ring. Rasch langte sie nach der eisernen Kette ihrer Fußfessel. Gerade als der halb nackte Mann ihren Wirkungskreis betreten hatte (geistig dürfte er seinen Vorstoß wohl kaum geplant haben) schleuderte Riven ihm das Stück Eisenkette über den Kopf. Sie missbrauchte ihre Fessel, platzierte die als Schlinge um seinen Hals, hievte ihn sich mitsamt seinem massiven Körper auf ihren grazilen Rücken, nutze den Hebel und warf ihn in den Sand unter ihren Füßen. Weil ihm die Luft weggeblieben war, brachte ihm das Manöver einen Knock-Out und ihr damit den Sieg ein.

Die Stirn in Falten gelegt, fasste Draven nicht, was er gesehen hatte. Diese kleine Dreckskuh hatte alle Männer erledigt. Innerhalb welcher Zeit? Waren es 60 Sekunden gewesen? Jedenfalls eine Spanne, die selbst für seine Verhältnisse sportlich erschien.
Mit ihrem vergangenen Konter hatte sie ihm den Rücken zugewandt. Nun drehte sie sich um, die Kette ihrer Fessel in der Hand. Provokant richtete sie ihren Blick aufwärts, starrte ihn an. Bei der Axt seines Bruders, Draven musste ein reflexartiges Keuchen mühevoll unterdrücken. Obwohl die kleine Soldatin, aka das Teufelsweib, rattenscharf war und er sie lieber in seinem Bett gesehen hätte, funkelte sie ihn mit einer Mischung aus Arroganz, Kampfgeist, Aggressivität und Selbstbewusstsein an. Eigenschaften, welche er für sich allein vereinnahmte. Offensichtlich, sie forderte ihn heraus!
Oh, und wie ihre Attitüde ihn provozierte! Besser gesagt, er ließ sich davon provozieren! Bestimmt hatte genau das beabsichtigt. Dies und weil ihn der Umstand ärgerte, sie überdurchschnittlich anziehend zu finden, rammte er sein schickes Kunai in die Armlehne seines Sitzes, stieß gleichzeitig ein an Fauchen erinnerndes Brüllen aus.
Wäre die ihm von ihr entgegengebrachte Frechheit nicht genug gewesen, machte sie auf dem Absatz kehrt. In jeder anderen Situation hätte er Freude daran empfunden, ihren Arsch zu begaffen. In dieser würde er Freunde daran finden, ihn ihr aufzureißen!

Riven wusste, sie spielte mit dem Feuer. Von der ersten Sekunde an hatte sie die Gefahr, die er verströmte, gefühlt. Indem sie ihm den Rücken zukehrte, reizte sie ihn, auch diese Tatsache leuchtete ihr ein. Sie bewegte sich einige Schritte auf das Tor zu, durch welches sie vor nicht einmal 5 Minuten die Arena betreten hatte. Um sie herum blökten die Zuschauer, warfen ihr obszöne Buhrufe zu. Dass die Menge sie hasste, scherte sie maximal geringfügig. Sie überlegte, ob die Ochsen sie abholten und ihr eine Pause gönnten oder ob Gevatter Tod unverzüglich über sie kommen würde. Einen großen Bewegungsradius gewährte ihr die Fußfessel nicht, insofern war sie den Launen des Veranstalters ausgeliefert. Ebenso gut konnte sie sich vorstellen, in der heißen Sonne eine Weile braten zu müssen und den gehässigen Schmähreden des Publikums ausgesetzt zu werden. Manipulation. Die Kunst, den Gegner auszulaugen, seine Energie aufzuzehren.
Was immer der Veranstalter plante, der Vergelter hegte alternative Absichten.
Hinter sich vernahm Riven das Sausen einer anstürmenden Waffe. Doch der Winkel stimmte nicht. Sie spürte es in den Knochen. Etwas kam geflogen. Und es verfehlte sie. Absichtlich.

Das Schwert mit der schwarzen Klinge. Rivens Waffe. Sie steckte im Sand, eine Armlänge von ihr entfernt. Auf den ersten Blick ein schlecht gezielter Wurf, auf den zweiten, ein überragender. Die Schneide hatte ihre Fußfessel durchtrennt!
Dieses Mal kam Riven nicht umhin, ihre Überraschung zu verbergen. Sie zeigte lediglich eine minimale Regung im Gesicht, dennoch präsentierte sie dem Monster überhaupt eine, als sie sich ihm zuwandte.
Nicht länger saß der Vergelter auf seinem Thron. Stattdessen erfolgte der Aufprall von etwas Schwerem auf dem von der Sonne heißen Sand. Plopp. Stau wirbelte auf. In dem Moment, als er sich langsam verflüchtigte, erkannte Riven rechts und links wirbelnde, silbern glitzernde Klingen. Äxte!
Ihre Nackenhaare standen kerzengerade. Wann hatte sie zuletzt Gänsehaut bekommen? Hatte sie je Furcht vor einem Gegner empfunden? Vielleicht.
Hatte sie Vorfreude vor einem bevorstehenden Kampf gespürt?
Nein.
Beim Anblick dieses zurecht gefürchteten Ungeheuers, den nahenden Tod ausser Acht gelassen, leckte sich Riven die Lippen.

Er bleckte die weißen Zähne, ein freudiges Gelächter entkam seiner Kehle.
Mit einer geschmeidigen Bewegung zog sie ihre gebrochene Klinge aus dem Boden. Zauberkraft hielt die in Einzelteile zerborstenen Splitter zusammen. Gemeinsam ergaben sie ein Schwert. Ein Schwert, welches Riven gegen zwei Äxte erhob.
Keinesfalls würde ihr ein Sieg die Freiheit bescheren. Das Imperium strafte vermeintliche Verräter. Ohnehin, wenn sie aus der Arena gelangte, dann als Leiche. Da es im Jenseits angeblich einsam und kalt zuging, erhoffte sie sich Gesellschaft. Einen Begleiter würde sie erhalten, indem sie ihren Schlächter mit sich nahm!

Das Publikum jubilierte.
Soeben begann der Kampf zwischen dem glorreichen Scharfrichter Draven und der in Ungnade gefallenen Soldatin Riven.